228 Robert Wuttke: Die Bevölkerungsgllederung.
in die ersten Lebensjahre fällt — stirbt doch in Sachsen von 100 gebornen
Knaben bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres die Hälfte — aus dieser
Thatsache kann man folgende Behauptung ableiten: eine Bevölkerung, in
der sehr viel Kinder geboren werden, muß eine verhältnismäßig große
Sterblichkeit aufweisen. Wir können diesen Satz auch anders fassen und
sagen, daß, wenn in zwei Staaten die Sterblichkeit in den Altersklassen von
15 Jahren und mehr sich gleich bleibt, doch in dem Lande, das eine höhere
Geburtenfrequenz aufweist, die durchschnittliche Sterblichkeitsziffer ungünstiger
sein wird. Das Wachstum einer Bevölkerung ist dann weiter von dem
Verhältnis der Geborenen und Gestorbenen abhängig.
Es kamen 1872/80 durchschnittlich jährlich Geborene
A. auf 1000 im Alter von 15—50 Jahre stehende Frauen:
Württemberg Sachsen Bayern Preußen Deutsches Reich Baden
180 176 169 164 164 158
B. auf 1000 Einwohner:
Sachsen Württemberg Bayern Deutsches Reich Preußen Baden
45,2 45,0 42,2 41,2 41,2 40,1
Verteilt man die Geborenen auf die Gesamtbevölkerung, so steht Sachsen
an der Spitze aller deutschen Staaten, verteilt man sie auf die Frauen im
Alter von 15—50 Jahren, so steht es an zweiter Stelle, nur Württemberg
zeigt eine etwas höhere Geburtenfrequenz.
Wie überaus hoch die Zahl der Geborenen in Sachsen ist, erweist sich
erst, wenn man Sachsen mit ausländischen Staaten vergleicht:
West-Ssterreich Italien Großbritannien Frankreich
A. 145 149 144 106
B. 37.5 88,0 36,7 26,9
Die Zahlen ergeben, welche Kraft in unserem deutschen Volle liegt.
Man vergleiche nur Frankreich und das Deutsche Reich. Unter allen
deutschen Stämmen und ausländischen Völkern besitzt Sachsen wieder die
höchste Erneuerungskraft seines Volkstums, aber auch ein trübes Bild
tritt uns hier entgegen: der außerordentlichen Fruchtbarkeit der sächsischen
Bevölkerung entspricht eine hohe Kindersterblichkeit.
So lange die Welt bestanden hat, begann aller Rückgang volklichen
Lebens mit dem Stillstand und der stets darauf folgenden Abnahme der
Bevölkerung, und so haben wir alle Ursache uns über die sächsischen und
deutschen Zustände zu freuen; mit der wachsenden Volkszahl gewinnt auch
das Reich an Stärke, neue Bahnen werden ihm gewiesen, neue Ziele gesteckt.