Full text: Sächsische Volkskunde.

280 Karl Franke: Die obersächsische Hauptmundart. 
Sonst aber ist dieser Wandel im Obersächsischen fast ausnahmslos durch- 
geführt, und daher sind hier die neuen ei und au von den alten streng ge 
schieden. 
Wir kommen nun zum Wandel der einfachen Selbstlaute untereinander. 
Im Obersächsischen wird langes à in der Stadtmundart fast ganz 
rein, das heißt mit ganz unbedeutender Rundung der Lippen gesprochen, so 
daß es entschieden heller klingt, als das auch von dem gebildeten Süddeutschen 
gesprochene; in der Dorfmundart dagegen ist das gerundete aà herrschend, 
welches ungefähr dieselbe Klangfarbe besitzt als das süddeutsche, so in d, 
sdrase. Im Erzgebirgischen und Vogtländischen verdumpft dagegen ã 
nach süddeutscher Art häufig zu 5; so hörte ich dö schon in Waldkirchen und 
Sdröse in Langenau, südlich von Freiberg. 
Im Auslaut wird langes s stets geschlossen gesprochen, die Dorf- 
mundart erhöht es dann meist zu 1, so in s'’ düd wi für weh. Im In- 
laut tritt diese Erscheinung nur bei einigen Wörtern auf. 
Besonders bewirkt es r, daß bei dem vorausgehenden Selbstlaut, zumal 
wenn er kurz ist, eine niedere Zungenstellung eintritt; so werden 1. kurzes 
i, ü. e, 5 regelrecht zu 2, ja teilweise selbst zu 4, es lauten: wird, Fürst, 
zerre: „wèrd, fersd, dsère“. 
Da dieser Wandel schon in mittelhochdeutscher Zeit eintrat, so steht jetzt 
langes à& für langes 1 und ü, da, wo diese Laute mittelhochdeutsch noch kurz 
gesprochen wurden; so lauten Schirm, Bürger: ärm, bärxer. — Außer 
vorer hat sich altes kurzes i zu & bez. à durchgehends nur in Hhin, viel, 
spielen, Stiefel“ gesenkt, welche Wörter ben, fäl, öbäln, idè#wl, in der 
obersächsischen Dorfmundart lauten. In dem gleichfalls allgemeinen „breu 
für bringen scheint uraltes e gewahrt zu sein. In den westlichen Mund- 
arten, wie in der Wyrhamundart, der Leipziger, der Markranstädter nimmt 
dieses & in Annäherung an das Thüringische immer mehr zu. 
2. wurden auch langes s und 5 vorr stets zu langem ä bez. 4, so Kre, 
märe für Ehre, Möhre. 
3. Vorr ist mittelhochdeutsch kurzes u nicht zu ü sondern zu 5 im Ober- 
sächsischen verlängert worden, so börr, förrd, wörm für Burg, Furcht, 
Wurm. Wo die Kürze blieb, schwankt u und o, so in Wurst: worsd. 
Daß dieser Wandel lediglich durch das #r hervorgerufen wurde, erhellt 
auch daraus, daß die obersächsische Dorfmundart umgekehrt kurzes o außer 
vor#r regelmäßig zu u verdumpft hat, so in tup für Topf. In einigen 
Wörtern, die mittelhochdeutsch ein kurzes, neuhochdeutsch aber ein langes 5 
haben, ist langes ü eingetreten, nämlich in oben, holen, Vogel: üm, 
hüln, füxl. 
Altes langes 5 hingegen hat die Verdumpfung nur vor s, d und t 
erlitten, so in blüs, rüd für bloß, rot und in wo: wü.
	        
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