Karl Franke: Die obersächsische Hauptmundart. 281
Wir wenden uns nun zur Entrundung. Sie besteht darin, daß
ursprünglich mit Lippenrundung gebildete Selbstlaute diese aufgeben. Wie
in vielen mitteldeutschen Mundarten ist sie im Obersächsischen bei kurzem und
langem ö und u ganz durchdrungen, so daß diese Laute zu e, 6, i und ĩ
geworden sind. Es lauten demnach Töpfchen, größer, Mütze und
spüren: tepxn, gréser, mitse, Sbirn. In einigen Wörtern hat die Dorf-
mundart langes 5 zu 7' erhöht, so in hirn für hören.
Ganz ausgestorben ist aber der Laut ü 0) im Ocbersächsischen nicht.
Als Länge hört man ihn oft in dem Fuhrmannsruf by oder bpye, als
Kürze zuweilen für ü und i vorr, so in wyrck für wird.
Auf dem Gebiete der Mitlaute (Konsonantismus), das wir jetzt
betreten, ist die hochdeutsche Lautverschiebung der wichtigste Wandel.
Das Obersächsische nimmt darin fast denselben Standpunkt ein, wie die neu-
hochdeutsche Schriftsprache. Doch hat es gleich dem Thüringischen und
Schlesischen altes ursprünglich gemeindeutsches pp und mp im In= und
Auslaut unverschoben erhalten, so tüp für Topf, Snupn für Schnupfen,
Sstümb für stumpf.
Das Erzgebirgische und zwar auch das westliche tritt ganz ent-
schieden auf die Seite des Obersächsischen, das Vogtländische dagegen
auf die des Ostfränkischen, d. h. es hat die Verschiebung zu pf auch bei
pp und mp im In= und Auslaut. Die Mundarten des Vogtlandes, in
denen dies nicht der Fall ist, wie die der Gegend von Klingenthal,
Zwota, Brunndöbra und Sachsenberg, wo khop, Inupm gesagt wird,
sind auch aus anderen Gründen als vogtländisch-erzgebirgische Über-
gangsmundarten aufzufassen.
Überhaupt hat das Obersächsische, wie das Niederdeutsche, eine sehr
große Abneigung gegen die Lautverbindung pf. Zwar verschob es im An-
laut gemeindeutsches p dazu; jedoch ist dies wenigstens vor Mitlauten
wohl durchgängig zu f vereinfacht worden. So ist krüp für Pfropf und
flasder für Pflaster gemeinobersächsisch.
Im Vogtländischen und Erzgebirgischen hat sich anlautendes pf fest
erhalten, so in pfrüpn für Pfropfen.
Inlautendes b vor Selbstlauten ist im Obersächsischen stets stimm-
hafter reiner Lippenreibelaut, d. h. es lautet wie w, so Garbe gärwe;
die Silbe ben wie auch wen wird stets zu m, so geben zu gäm, Löwen
zu lem; nur für haben erscheint neben häm und ham in der Dorfmundart
auch han oder hün.
Im Vogtländischen und Erzgebirgischen scheint gleichfalls w für
inlautendes b vor Selbstlauten und m für ben ganz fest zu sein.
Dies bringt uns auf ein sehr wichtiges Merkmal der obersächsischen
Hauptmundart. Wohl in keiner Sprache und Mundart ist w ein bloßes