Karl Franke: Die obersüchsische Hauptmundart. 283
sich sogar Mehrzahlbildungen mit inlautendem x und 8: fixers (techersch)
Tiere und wir oder sie sägn —= sahen.
Dagegen hat vorangehendes 1 oder r in den Wörtern Kalk, Volk,
Markt und fuhrwerken bewirkt, daß der Verschlußlaut k zu dem Reibelaut
1 (ch) vom Obersächsischen und teilweise auch vom Erzgebirgischen um-
gewandelt wurde. Diese Wörter lauten in der obersächsischen Dorfmundart
kalz, fulxz, märxd, fürwärgxn.
Auf die Zahnlaute hat auch die Nachbarschaft von n umgestaltend
eingewirkt.
Im Obersächsischen einschließlich des Osterzgebirgischen und selbst
noch im Pockauthale wandelt sich nd und nt wie in anderen nieder= und
hochdeutschen Mundarten oft bei anlautendem Kehl-, Gaumen= oder Lippen-
laut in ug (ng) um, das auslautend zum bloßen pv wird (während inlautend
ich wenigstens noch ein allerdings sehr schwaches g zu hören glaube), so
lauten Kinder, Schinder, Schinderei, binde, binden, finde, finden,
gefunden, hinter, hinten, unter, unten und ordentlich: kinger,
Singer, Singerei, pinge, pip, finge, fin, gefän, hinger, hin, ünger, ün
und ürdenlix.
Das Vogtländische und Wester zgebirgische weisen ähnliche Formen
nur vereinzelt auf, sonst bleibt hier n unverändert, während d oder t
schwindet, so khinr (i. Vogtl.); fin, gfun, bin.
Ferner vereinfacht das Obersächsische, Erzgebirgische und Vogtländische
in der Lautverbindung nz den Doppelmitlaut (Affrikata) : zus, so daß z. B.
ganz und die Gans im Obersächsischen gleich klingen, nämlich gans.
Hinter l ist dagegen umgekehrt für s der Doppelmitlaut ds eingetreten,
so lautet Felsen: feldsn.
Der Ubergang von s zu s (sch) gewinnt in den deutschen Mundarten
von Norden nach Süden zu immer mehr an Umfang. Im Obersächsischen
ist er regelrecht im anlautenden s p und st und in der Lautverbindung rs
durchgedrungen, so in sbäd, Sdül, drsd; außerdem kennt ihn das Ober-
sächsische nur bei einigen vereinzelten Wörtern mit benachbarten Kehl-
oder Gaumenlauten, so bei heser für heiser; im Vogtländischen
häsr (Schöneck i. Vogtl.), und im Erzgebirgischen hökr.
Nichts lautet in ganz Obersachsen nisd, welche Form aus dem
mittelhochdeutschen nihtes niht durch gegenseitige Angleichung von s und ch
entstanden ist.
Auch das Erzgebirgische kennt wohl nur nisc.
Das Vogtländische schwankt zwischen niks (so Hof, Schöneck, Auer-
bach, Meßbach, Plauen) und nisd (so Ebersgrün, Mechelgrün, Wildenau,
Rodersdorf, Plauen, Triebes); ersteres bevorzugt aber mehr der Süden,
letzteres der Norden.