Full text: Sächsische Volkskunde.

286 Karl Franke: Die obersächsische Hauptmundart. 
Im Vogtländischen und Erzgebirgischen fehlt dagegen nicht bloß 
hier das „e,, so lautet selbst müde im Erzgebirge mid, sondern auch regel- 
mäßig bei dem schwach abgewandelten Eigenschaftswort im 1. Fall der Ein- 
zahl des männlichen und im 1. und 2. Fall der Einzahl des weib- 
lichen und sächlichen Geschlechtes nach dem bestimmten Geschlechts- 
worte: so im Vogtland: der glänsck für der kleinste und im Erz- 
gebirge: „dr glän gun für „dder kleine Junge- 
Das Oberfächsische hält ferner das schriftdeutsche # in der starken 
Fallbiegung der Fürworter stets fest, so lautet selbst in den obersächsisch- 
erzgebirgischen Ubergangsmundarten die Form zihre: #re“ ja es fügt 
•c auch an die alleinstehenden Formen der besitzanzeigenden Fürwörter, 
mein, dein, sein, unser, euer, ihr an, so: # is mweine (für ees ist mein, ge- 
hört mir)), ferner an den 1. und 4. Fall der Zahlen von zwei bis zwolf, 
wenn kein Haupt= oder Eigenschaftswort darauf folgt, so lautet in der Dorf- 
mundart selbst sieben: sime“ oder simne“. 
Eigentümlicherweise schließt sich in diesem Punkte das Vogtländische 
und Erzgebirgische im Gegensatz zu dem Ostfränkischen dem Ober- 
sächsischen an. 
Aus dem Gezeigten geht hervor, daß im 1. Fall der Einzahl das Ober- 
sächsische noch im stande ist, das weibliche Geschlecht von dem männlichen 
und sächlichen durch die Formen der Wörter ein, mein, dein, sein, unser, 
euer, ihr zu unterscheiden, während das Vogtländische und Erzgebirgische 
dies nicht mehr vermag; hier heißt es bei allen Geschlechtern mai (bez. mei) 
doch im Obersächsischen zwar mei fäder und mei kind, aber meine mutr. 
Im 4. Fall der Einzahl sind daselbst noch alle 3 Geschlechter streng geschieden: 
mein fäder, mèeine mutr, mei kind. 
Betrachten wir nun das auslautende #e in der Zeitbiegungl 
Die erste Person der Einzahl der Gegenwart wirft im Ober- 
sächsischen in der Regel nur dann das e ab, wenn ein eng dazu ge- 
höriges Wort darauffolgt, wie Ergänzung (Objekt), Umstand, Verneinung; 
sonst bleibt es namentlich zu Ende des Satzes oder bei starker Betonung 
erhalten, so bei gewöhnlicher Betonung: ix hau dx“ für „ich haue dich, wird 
aber chaue“" sehr betont: „ix haue dir,; — ferner: „ix löf nir, ix färe für 
zich laufe nicht, ich fahre. 
Seltener als in der ersten Person der Einzahl der Wirklichkeitsform 
(Indikativ) wirft unter gleichen Bedingungen das Obersächsische in der 
ersten und dritten der Einzahl der Ungewißheitsform (Konjunktiv) 
starker Zeitwörter das e“ weg, wie s#ö5g für sähe", A. für läge, so: 
es jäg dürde, (für es läge dort); — doch: ir (oder er) sdärwe liwer, 86 
ix (er) bliwe“ (für: eich sterbe lieber, ehe ich bliebe).
	        
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