288 Karl Franke: Die obersächsische Haupimundart.
So erscheint bei den Hauptwörtern die Endung sen im Obersächsischen
und Erzgebirgischen hier als Iu., so für Stunden“ Stundn; im Vogt-
ländischen findet sich 4“ neben „n# stuntä.
Ein gleiches ist bei den Zeitwörtern der Fall, so lauten: wir und sie
fallen, reden, kriegen, gefallen obersächsisch: faln, rscn, brürn, gefaln.
Von besonderer Bedeutung ist dies bei der Endung der Nennform; denn
durch die Bewahrung des „m in dieser Form unterscheidet sich das Ober-
sächsische nicht bloß vom Vogtländischen und Erzgebirgischen, sondern auch
vom Thüringischen und der Pleißner Mundart. Zu letzterer gehören Blumen-
roda, Hartmannsdorf, Regis, Breitingen, Röthigen.
So lautet abreisen, soll hören, kann werden, in diesen raprdise" (Regis),
s#ol hire (Blumenroda), kan wäre (Breitingen), im Obersächsischen aprdisn,
sol hirn, kan (bez. gan) wärm.
Nach m, n, und ng# dagegen wirft das Obersächsische die gan ze Endung
en ab, so die xum für Jungen,, soll nämt, sie eim für scheinen., während
die anderen in Frage kommenden Mundarten auch hier das e meist wahren.
Das Obersächsische und Osterzgebirgische bevorzugen die Bildungs-
silbe ig, und zwar ist der Ausfall des in .ig#, wenn noch eine Silbe
folgt, zur festen Regel geworden, so beilxe" für heilige. Doch auch wenn
§g“, das stets als 7 erhalten bleibt, im Auslaut steht, ist er sehr häufig, so
ferd“ für fertig. Wenn sie aber ezicht“ gebrauchen, werfen sie ch (r) nie
aus, so firekrd, alwrird, drekrd, rupxd = viereckig, albern, dreckig,
ruppig und im Osterzgebirgischen „hörm#.
Vom Vogtländischen und Westerzgebirgischen werden Eigenschafts-
wörter öfter mit der alten Bildungssilbe (Suffix) „icht" gebildet, welche, wie
schon mittelhochdeutsch zuweilen, die Gestalt et angenommen hat, so „draket"
dreckig.
Sehr entschieden strebt das Obersächsische nach strenger Unterscheidung
der Mehrzahl. Zunächst sind hier die Mehrzahlbildungen auf er häufiger,
als in der Schriftsprache, so bei Gebet, Dorn, Mensch und Stück und in
Ülbereinstimmung mit dem Erzgebirgischen bei Balg, Halm, Kloß; ferner
bei Klotz, Kranz, Pflock, Vieh, so ftrer.
Außerdem macht das Obersächsische von der niederdeutschen Bildungs-
weise mit s sehr ausgiebigen Gebrauch, so zunächst um Einzahl und Mehrzahl
auseinander zu halten bei den Verkleinerungswörtern, wie Lämpchen,
Mädchen, Fräulein, Kindchen: Mehrzahl mödls, freilsins, kinterrus,
bei Wörtern auf er, so Luder Mehrzahl lüders, Dreiers, Thalers, dann
aber auch bei Schwager, Kerl Mehrzahl kerls, Bräutigam, Kuckuck,
Ofen, Vieh Mehrzahl fi#rers neben fixer und selbst bei schwachen wie
Herr Mehrzahl herns, Jungens, Damens.