300 Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres.
storbenen auch menschliche oder tierische Gestalt annehmen und sich in dieser
den Menschen zeigen. Letztere ahmten sie nach, und so entstand Vermummung
und Scherz, die ja heute noch in der Weihnachtszeit eine so wichtige Rolle
spielen. Als dann das Christentum in Deutschland eingeführt war und die
Geistlichen vergeblich gegen den altheidnischen Brauch eiferten, da hing man
ihm ein christliches Mäntelchen um, und so nahmen diese alten Geister be-
stimmte Gestalten an: an ihre Stelle traten Heilige der Kirche, besonders
Martin und St. Nikolaus, die nun vor allem an ihrem Kalendertage ihre
Umzüge hielten, aber auch zu Weihnachten, an den Adventsonntagen, ja
selbst in der Neujahrsnacht sich häufig zeigten. Nach Einführung der Re-
formation wurden in den protestantischen Ländern die katholischen Heiligen
bald verdrängt, an ihre Stelle traten jetzt Jesus mit seinen Aposteln und
die Engel, und jene Heiligen erschienen von nun an als die schwarzen, die
strafenden Begleiter des Christkindes. In dem 17. Jahrhundert treten dann
Martin und Nikolaus in den Hintergrund, an ihre Stelle tritt der Knecht
Ruprecht, der um 1650 von Franken aus seinen Eingang in Sachsen ge-
funden hat. Bei dem gemeinsamen Auftreten des Christkindes und des Rup-
rechts spendet jenes die Gaben, zu denen schon frühzeitig Apfel und Nüsse
gehören, dieser dagegen schwingt die Rute. 1722 berichtet ein Dresdner
Pfarrer von dem Umgang des Heiligen Christes in unserer Hauptstadt. Es
heißt da, daß man „etliche Personen, besonders bekleidet, dieselben von Gott
den Vater und einige aus dem Himmel gekommene Engel ausgiebt, nebst
dem unter dem Namen des Knechtes Rupert bedeuteten Teufel vorstellt und
durch selbige die von den Eltern den Kindern zugedachte Weihnachtsverehrung
überreichen läßt.“ Aus derselben Zeit wird uns weiter aus Sachsen berichtet,
daß Knecht Ruprecht die bösen Kinder in den Sack stecke. Noch heute geht hier
und da in unserem Erzgebirge der Ruprecht gemeinsam mit dem Bornkindel
d. i. dem Christkind in alter Weise in die Häuser: jener in rauher Gestalt, zürnend
und strafend, dieses in ein weißes Gewand gehüllt und Gaben spendend. In den
meisten Gegenden Sachsens sind jedoch diese beiden Erscheinungen zusammen-
gefallen, es ist nur der Knecht Ruprecht übrig geblieben, der bepelzte, lang-
bärtige Gesell, und erscheint den Kindern bald als lobender und schenkender,
bald als tadelnder und strafender Dämon: in seinem Sacke hat er Apfel und
Nüsse für die folgsamen, die Rute für die unfolgsamen Kinder. So hat das
Volk diese Gestalt der Weihnachtszeit zum Erzieher der Kinder gemacht, die
oft mit größerem Erfolge wirkt, als Eltern und Lehrer gemeinsam. Diese
pädagogische Seite des Knecht Ruprecht ist im protestantischen Deutschland
zuerst aufgetaucht und hier besonders scharf ausgeprägt.
Bevor das Christkindlein vergangener Jahrhunderte auf die Straße ge-
bracht worden war, war ihm bereits im Gotteshause die Verehrung der Ge-
meinde zu teil geworden. Nachdem durch dem römischen Bischof Liberius