Full text: Sächsische Volkskunde.

Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 301 
im Jahre 354 der Tag der Menschwerdung Christi auf den 25. Dezember 
festgelegt war, finden wir bald in dem ganzen Gebiete der römischen Kirche 
Krippendarstellungen in den Gotteshäusern; in Form lebender Bilder wird 
hier die Geburt Christi versinnlicht. Diesen Darstellungen stellten sich später 
dramatische Aufführungen zur Seite, und so entstanden die Jesusgeburtsspiele. 
Im Laufe der Zeit sind dann diese wie jene Bilder aus der Kirche in die 
Häuser gedrungen. Auch in unserem Vaterlande haben einst diese alten 
Darstellungen und Weihnachtsspiele geblüht. Im 18. Jahrhundert war es 
z. B. in Zwickau und Kirchberg Sitte, ein aus Holz geschnitztes, in weißes 
Gewand gehülltes Kind zur Christmette in der Kirche aufzustellen, und noch 
heute haben sich, namentlich im Erzgebirge, diese Krippendarstellungen, trotz 
der Einführung der Reformation, erhalten. Dem rührigen Oberförster von 
Unterwiesenthal gebührt vor allem das Verdienst, sie in seiner Heimat zu 
neuem Leben geweckt zu haben, und in der höchst gelegnen Stadt Deutsch- 
lands vereinen sich reich und arm an den ernsten und frohen Krippenabenden. 
Und von hier aus sind die Spiele bereits wieder in die umliegenden Orte 
gedrungen. Im allgemeinen freilich sind sie geschwunden, aber sie haben sich 
hier und da unter den Christbaum geflüchtet, an dessen Fuße Holzfiguren die 
Menschwerdung Christi plastisch darstellen sollen. Und auch die Weihnachts- 
spiele, die einst im Erzgebirge überall geblüht haben und die Gustav Mosen 
(Zwickau) neu zu beleben suchte, treten jetzt vielenorts in ihrer alten Weise 
wieder auf, denn unsere Gebirgsbewohner haben nie den Geschmack und die 
Freude an ihnen ganz verloren. 
Heute ist unser Weihnachtsfest in erster Linie ein Familien-, ein Kinder- 
fest. Den Glanzpunkt dieses Festes bildet der Lichterbaum mit seinen Apfeln 
und Nüssen und Zuckerzeug und die Bescherung der Gaben, die unter ihm 
ausgebreitet liegen. Diese Feier steht in ziemlich schroffem Gegensatze zu einer 
mittelalterlichen Christfeier. Damals wurde das Christfest nur kirchlich ge- 
feiert; in der Familie gab es weiter nichts als große Schmausereien und 
Gelage, die aus heidnischer Zeit übrig geblieben waren und gegen die infolge- 
dessen die Kirche mit allen Mitteln kämpfte. Allerdings kommen schon 
grünende Zweige, Apfel und Stollen vor, allein diese befinden sich im Ge- 
folge des Aberglaubens und sind weder an Zeit, d. h. an den Christtag, noch 
an einen bestimmten Ort gebunden. Und geradeso war es noch zur Re- 
formationszeit. Es mag daher ein schönes, sinniges Bild sein, wenn man 
Luther im Kreise der Seinen unter dem Christbaume sitzen sieht, geschichtlich 
ist es nicht, denn damals kannte man noch keinen Lichterbaum. Dieser hat 
sich erst in den letzten Jahrhunderten und zwar vor unseren Augen zu der 
Form entwickelt, in der wir ihn heute kennen. 
Alter Glaube und deutsches Gemüt bilden den Boden, auf dem der 
Christbaum Wurzel geschlagen hat und gewachsen ist. Verschiedene Völker,
	        
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