Full text: Sächsische Volkskunde.

Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 311 
in verschiedenen Gegenden Deutschlands bis in unser Jahrhundert erhalten 
haben. Noch im Jahre 1855 z. B. wurde in einem braunschweigischen 
Dorfe ein solches Feuer durch Reibung erzeugt, damit es eine ausgebrochene 
Schweineseuche vertreibe. Der Hergang dabei war folgender: Sobald unter 
dem Vieh eine Krankheit ausgebrochen war, kamen die Bauern der Dörfer 
zusammen und beschlossen ein Notfeuer anzuzünden. An dem festgesetzten 
Tage durfte in keinem Hause, auf keinem Herde eine Flamme lodern; alles 
lebende Feuer mußte vorher gelöscht werden. Dann kamen die Bauern an 
dem vorher bestimmten Orte zusammen; jeder brachte Stroh und Buschwerk 
mit. Alsdann wurde ein starker Eichenpfahl in die Erde geschlagen, ein 
Loch durch diesen gebohrt und in dasselbe eine hölzerne Winde gesteckt, die 
mit Pech und Teer beschmiert war und so lange gerieben wurde, bis sie 
Feuer fing; dies wurde durch das mitgebrachte Material genährt; und so 
entstand allmählich ein Flammenberg. Uber diesen wurde das gesamte Vieh 
des Dorfes dreimal getrieben und dann wieder nach dem Stall oder auf das 
Feld gebracht. Von dem Feuer aber nahm jeder Hausvater einen Brand 
mit nach Haus, löschte ihn hier und legte ihn alsdann in die Krippe, aus 
der das Vieh zu fressen pflegte. — Mit eiserner Festigkeit hat das Volk 
an diesem Notfeuer bis in unser Jahrhundert festgehalten. Dies Feuer nun 
ist der Vorgänger unserer Johannisfeuer: das Seuchenfeuer ist ein periodisches, 
prophylaktisches Feuer geworden. Die alte Erfahrung, daß im Hochsommer 
die Seuchen ganz besonders häufig waren, veranlaßte das Volk, jedes Jahr 
vor Beginn des Hochsommers solch abwehrendes Feuer zu entzünden. Fest- 
gelegt wurde aber der Brauch auf die Zeit der sommerlichen Sonnenwende. 
Und als diese durch die Kirche auf den Tag Johannis des Täufers gelegt 
war, da erhielten jene periodischen Feuer den Namen Johannisfeuer. Aus 
dem 15. Jahrhundert besitzen wir die ältesten Zeugnisse, daß die Notfeuer 
regelmäßig am Johannistage entfacht worden seien, und die beiden Worte 
Notfeuer und Johannisfeuer werden von nun an gleichbedeutend, wenn 
auch die alten Notfeuer neben den Johannisfeuern nach wie vor fortbestehen. 
Indem sich aber das Feuer regelmäßig im Jahre zu bestimmter Zeit wieder- 
holte, trat allmählich sein ursprünglicher Zweck in den Hintergrund, die 
Johannisfeuer wurden zu Volksbelustigungen, an denen die ganze Gemeinde 
teil nahm. Nur selten wird das Vieh noch durch die Flamme getrieben, 
dagegen springt noch heute das junge Volk hindurch, sehr häufig der Bursche 
mit seinem Mädchen, bei uns die Knaben. Daneben findet um das Feuer 
der Reihentanz statt, und nicht selten wird etwas von der Asche mit nach 
Hause genommen und hier dem Vieh unter das Futter gemischt. Am Abend 
aber stellt sich die Jugend, wie bei all solchen Volksfesten, zu Tanz und 
fröhlichem Gelage ein. 
Auch in unserem Sachsen lebt das Johannisfeuer noch fort. Im Tief-
	        
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