Full text: Sächsische Volkskunde.

312 Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 
lande, an der preußischen Grenze, ist freilich nichts davon übriggeblieben als 
die Festfeier in der Schenke, nur daß hier und da noch die Illumination an 
das Feuer auf der Flur erinnert. Dagegen haben sich im Meißner Hochlande, in 
der südlichen Lausitz, einigen Strichen des Erzgebirges und des Vogtlandes die 
Kinder seiner bemächtigt, die es als ihre Domäne ansehen, wie Meiche in 
den Mitteilungen für sächs. Volkskunde gezeigt hat. Freudig zieht am Abend 
vor dem Johannistage die männliche Jugend hinaus nach der Feuerstätte, 
bewaffnet mit alten Besen, die man schon Wochen vorher gesammelt hat, um 
die Glut zu entfachen und sie mit der Fackel in der Hand in Gegenwart der 
Alten zu umtanzen. Und doch leuchtet selbst noch aus diesem Kinderspiele 
der Glaube dahingegangener Geschlechter: noch heute lebt man in dem Wahne, 
daß der Schein der Fackel die bösen Unholde, die Hexen, verscheuche. 
Bevor ich das Johannisfest verlasse, möchte ich noch einer schönen 
Sitte kurz gedenken, die immer mehr in den Städten um sich greift: des 
Schmückens der Gräber am Johannistage. Die Sitte ist nicht alt, sie läßt 
sich im vorigen Jahrhunderte noch nicht nachweisen und ist zweifellos in 
den Städten entstanden, wo man sie heute auch fast ausschließlich kennt. In 
Freimaurerkreisen scheint sie ihren Ursprung zu haben und in Leipzig ist sie, 
so weit ich sie habe verfolgen können, zuerst aufgekommen. Aber bald hat 
sie Nachahmung gefunden, und heute treffen wir sie fast in ganz Sachsen 
westlich der Elbe an. 
Der zweite Teil des Jahres ist nicht reich an volkstümlichen Festen. 
Die alten Gesellenumzüge der Innungen, die wir in der Mitte unseres Jahr- 
hunderts in vielen Städten Sachsens antreffen, sind mit den Innungen selbst 
schlafen gegangen. An ihre Stelle sind Sänger= und Turnerfeste getreten, 
Erzeugnisse der neueren Kultur, und immer mehr machen sich im Hoch- 
sommer Versammlungen und Kongresse mit besonderer Tendenz breit. Erst 
am Schlusse des wirtschaftlichen Jahres erhebt sich noch einmal der Volks- 
geist zu Lust und Freude: am Erntefeste und an der Kirmes. — In 
früherer Zeit hat sich das Erntefest unmittelbar an den Schluß der Ernte 
angeschlossen; erst unter kirchlichem Einflusse ist es auf einen Sonntag ver- 
legt worden. Mit dem letzten Getreidewagen, der in die Scheune einfuhr, 
war die Frucht der Felder geborgen. Allerlei symbolische Handlungen 
knüpften sich an diesen letzten Akt der Ernte: der Name „Stoppelhahn“, der 
sich im Erzgebirge für das Erntefest findet, oder „der Alte“, wie man in 
der Lausitz die letzte Garbe noch nennt, sind Erinnerungen daran. Hatte 
doch die letzte Garbe auf dem Felde besondere Bedeutung: in sie hatte sich 
nach dem Glauben der Schnitter der Roggenhund oder der Wolf oder der 
Stoppelhahn, der Alte, geflüchtet, jener Dämon der Getreidefelder, der in 
den gefallenen Schwaden nicht bleiben konnte. Daher wurde diese Garbe 
mit Blumen und bunten Bändern geschmückt und beim Einzuge des letzten
	        
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