Eugen Mogk: Aberglaube und Volksmythen. 321
gebirge und Vogtland die Sagen, daß ein graues Männchen während der
Nacht dem Menschen erscheint und diesen auffordert, ihn zu dem Ort zu be-
gleiten, wo der Schatz liege; es könne nur durch Hebung des Schatzes erlöst
werden. Auf der andern Seite sind aber auch die Geister die Hüter der
Schätze und wehren sich gegen den, der unaufgefordert ihr Eigentum nehmen
will. Daher hieß es im vorigen Jahrhunderte, man solle bei Grabung
eines Schatzes Brot bei sich haben, dann hätten die Geister etwas zu zehren
und würden den Suchenden nicht stören.
Es ist bereits hervorgehoben, daß die Seelen der Abgeschiedenen mit
ihrer Proteusnatur sehr häufig die Gestalt von Tieren annehmen können,
und in dieser geben sie sich den Menschen kund. Noch heute weiß man
fast allerorten auch in Sachsen von Hunden, Hasen, Schlangen, Kröten,
Vögeln u. a. Tieren zu erzählen, daß in ihnen Seelen verwunschener Men-
schen sich befänden. In der Überzeugung dieser Thatsache wurzeln weitere
zahlreiche Außerungen des Aberglaubens: der sogenannte Angang, die Pro-
phetie, die Sprache der Tiere. Um die Festigkeit zu verstehen, mit der der
Aberglaube gerade an der Tierwelt haftet, müssen wir ins Mittelalter zurück-
greisen. Wir besitzen eine fast unzählige Anzahl Zeugnisse und zwar aus
den Ländern aller germanischen Stämme, daß damals ungemein häufig gegen
Tiere in aller Form rechtlich verhandelt wurde, daß ihnen Strafen auf-
erlegt wurden wie den Menschen. Auf der andern Seite nehmen sich aber
auch die Provinzialgesetze der Tiere, namentlich bestimmter, an und schützen
sie durch eine Strafsumme gegen Frevelthaten von seiten der Menschen.
In diesen Rechtshandlungen hat von Amira, einer der besten Kenner alt-
germanischen Rechtes, Gespensterprozesse nachgewiesen. Im Tierprozesse sind
nicht Tiere, sondern Menschen= und Dämonenseelen, die in dem Tiere sich
befinden, die Verklagten. Behalten wir diese Thatsache und jene Mythen
von verwunschenen Menschen in Tiergestalt im Auge, so wird uns unser
Tieraberglaube erst verständlich.
Wie oft hört man die Leute sagen: „Ich habe heute Unglück, mir ist
eine Katze, ein Hase über den Weg gelaufen," und wiederholt habe ich be-
merkt, daß selbst Gebildete nach solcher Begegnung eine Kehrtwendung machten,
gleich als ob sie ihren Gang nun von neuem begönnen. Andere Tiere da-
gegen bringen nach dem Glauben des Volkes Glück, wenn sie uns bei
unseren Ausgängen begegnen. Der Verfasser der Chemnitzer Rockenphilosophie
erwähnt als solche den Wolf, Hirsch, Bär, das Schwein. Heute setzt es
nach der Meinung der Erzgebirger Prügel, wenn einem ein Schwein be-
gegnet. Bei manchen Tieren wird darauf geachtet, ob sie uns zur Rechten
oder Linken erscheinen.
„Schafe zur Linken, Freude dir winken,
Schafe zur Rechten, giebt's was zu fechten,“
Wutttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 21