Eugen Mogk: Aberglaube und Volksmythen. 323
ausgestattet sind und sich mit Menschen, besonders Sonntagskindern, unter-
halten, und von dem Heimchen, das sich über den Erntesegen seines Bauern
freut, oder von dem Otterkönig, der auf seinem Kopfe eine güldene Krone
trägt und sich von den Menschen mit Milch füttern läßt.
Im alten Seelenglauben unserer Vorfahren wurzeln ferner jene mythischen
Wesen, die ich in ihrer Allgemeinheit als Druckgeister bezeichne. Sie er-
scheinen in Sachsen besonders unter dem Namen Alp und Trut, im fränkischen
Vogtlande auch als Schrettel, im Altenburgischen als Bocksmärte. Es ist
dasselbe Wesen, das in ganz Norddeutschland als Mare oder Marte bekannt
ist. Diese verschiedenen Namen sind weiter nichts als lokale Bezeichnungen
ein und derselben mythischen Gestalt, die in früherer Zeit auch in sächsischem
Gebiet überwiegend Mare oder Nachtmare hieß. Die verschiedenen Worte für
diese Wesen lassen sich in alter Zeit in allen germanischen Sprachen nachweisen,
woraus hervorgeht, daß diese mythischen Erscheinungen der urgermanischen
Zeit angehören. Und gemeinsam wie der Name ist auch der Gehalt. Aus
dem 9. Jahrhundert stammt eine norwegische Sage, die noch im Heidentum
spielt. Nach ihr dingt eine verlassene Königstochter ein zauberkundiges Weib,
daß es während der Nacht ihren treulosen, fernweilenden Geliebten aufsuche
und ihn als Mare (mara) erdrücke. Wie im 17. Jahrhundert derselbe Glaube
bestand, lehrte die Erzählung des Prätorius, nach der die Seele der Magd
während des Schlafes ihren Körper verließ und ihren Geliebten gquälte.
Und noch heute weiß man in der Lausitz zu erzählen, daß der Alp, der
den Menschen drückt, der Geist, die Seele eines andern ist, die sich dem
Schlafenden auf die Brust setzt, ihm das Atmen erschwert und ihn am
Sprechen hindert. Aber nicht nur Menschen, auch Tiere drückt der Alp.
Diese fangen dann am ganzen Körper an zu schwitzen und sind arg zerrauft.
Was Veranlassung zu diesem Glauben an Druckgeister gegeben hat, liegt auf
der Hand. Schon im Mittelalter erklärte man das Auftreten der Mare
aus den schweren Träumen, die den Menschen infolge von Blutstockung be-
fallen. Man suchte diese Thatsache, die ja auch bei uns Beklemmung hervor-
ruft, zu begründen und kam so auf jene mythischen Seelenwesen.
Die Menschen, die vor allem die Kraft besitzen, während des Schlafes
die Seele auszusenden und dann den Mitmenschen Schaden zuzufügen, be-
zeichnet der Volksmund als Hexen. Es ist ja bekannt, welche kultur-
geschichtliche Rolle die Hexen einst gespielt haben und wie viel Hunderte
unglücklicher Wesen den Feuertod haben leiden müssen. Das geschah zu einer
Zeit krankhafter Phantasie, in der der Aberglaube zur Herrschaft gelangt
war und die menschliche Vernunft darnieder lag. Heute weiß man wohl
nur noch ganz vereinzelt, daß gewisse Menschen, und zwar Frauen, Hexen
seien und ihren Mitmenschen schaden, aber der Glaube an die Hexen selbst
ist durchaus noch nicht geschwunden und in Ausdrücken wie hexen, Hexen-
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