326 Eugen Mogk: Aberglaube und Volksmythen.
geschichtlichen Zeit unseres Volkes nachweisen. Heute noch glaubt der Land-
mann, besonders im Gebiet östlich der Elbe, fest an den Kobold. Im Vogtlande
heißt dieser Hausgeist das Hütchen oder Heugütel, im Erzgebirge das Schrackagerl
oder das Jüdel d. h. das Gütel. Man weiß sich von ihm zu erzählen, daß
er die Seele eines ungetauften Kindes ist, und deshalb dringen alle Leute im
Vogtlande darauf, daß die Kinder möglichst bald getauft werden, damit sie
nicht zu Heugüteln werden. Diese Hausgeister sind gutmütige Wesen, die
sich in entlegenen Winkeln des Hauses, auf dem Boden, im Keller und dgl.
aufhalten und gut gepflegt sein wollen. Geschieht das, so unterstützen sie die
Bewohner des Hauses, spinnen während der Nacht am Rocken, arbeiten für
das Gesinde und bringen so dem Hause Glück und Wohlstand. Daneben
lieben sie aber auch Neckerei und losen Unfug. Auch gegen Feuer beschirmen
sie das Haus, indem sie bei einem Brande dasselbe mit Wasser besprengen.
In gleicher Frische wie der Glaube an den Kobold lebt der an den
Drachen bei unserem Volke fort. Im Erzgebirge, in der Lausitz, im Tiefland,
besonders in der Geithainer Gegend, ist man noch heute fest von der Existenz
dieses mythischen Wesens überzeugt. Wenn es einem wohlgeht, so hat er den
Drachen, der ihm durch die Feueresse das Geld zuführt. In der Lausitz
bringt er den Frauen auch Butter und Milch. Zuweilen nimmt er das,
was er seinem Herrn zuführt, anderen aus der Gemeinde weg. Man will
gesehen haben, wie er von dem einen Haus zum andern fliegt: vom Hause
seines Opfers, mit dessen Wohlstand es zurückgeht, zum Hause dessen, der
von Tag zu Tag reicher wird. Nach der Chemnitzer Rockenphilosophie pflegte
das Volk im Ausgange des 17. Jahrhunderts das Geld mit reinem Wasser zu
waschen und Brot und Salz ihm beizumischen, oder in die 4 Ecken der Scheune
3 Kreuze zu machen: dann, meinte man, könne der Drache einem nichts ent-
führen. Hier und da erscheint dies Untier in feuriger Gestalt, weshalb man
ihn mit dem Blitze in Zusammenhang gebracht hat. Meines Erachtens mit
Unrecht. Unser volkstümlicher Drachenglaube scheint sich vielmehr im späten
Mittelalter aus zwei ganz verschiedenen Mythenmotiven entwickelt zu haben:
aus dem altgermanischen Glauben an den schatzhütenden Lindwurm, an dessen
Stelle schon im frühesten Mittelalter der Drache getreten ist, und aus spät
mittelalterlichem Teufelsglauben. Nach jenem wähnte man den Drachen im
Besitze großer Schätze, von denen man sich durch übernatürliche Mittel einen
Anteil verschaffen könne, nach dem Teufelswahn aber war man der Uber-
zeugung, mit dem Teufel einen Bund schließen zu können, so daß er dem
Menschen ganz zu Willen war. Daher stehen noch heute Leute, die den
Drachen haben sollen, bei ihren Mitmenschen in keinem guten Ansehen, und
ängstlich werden sie oft gemieden. Zu jenen Hauptmotiven des Mythus scheinen
sich hier und da noch andere gesellt und die Drachenmythen beinflußt zu
haben, so namentlich der Mythus vom Getreideschnitter, vom Hausgeist, der