Full text: Sächsische Volkskunde.

M. Reutsch, Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 355 
mir Bescheid, worauf B dem Wunsche nachkommt mit den Worten: Twoje 
strowje, dein Wohl! hierauf sagt A wieder: w bokemje! in Gottes Namen! 
Tritt man in ein Haus, wo gerade gegessen wird, oder trifft man die 
Leute auf dem Felde bei der Vesper, so sagt man: Böh Zohnuj wobjed, 
swackinu! Gott segne das Mittagsmahl (die Vesper u. s. w.), worauf die 
Essenden den Fremden einladen mit: péj sobu! Komm' mit! Mach' mitl 
Das Brot nennt man Boki khleb! Gottes Brot! Das Getreide Boke 
Zito! Gottes Getreide; auch vom Ungewitter, von der Sonne u. s. w. redet 
man als vom Boze njewjedro Bozeslönèsko! Gottes Gewitter, Gottes Sonne. 
Hat jemand einen Schlaganfall erlitten, so sagt man: Boza rucka je jeho- 
zajala! Gottes Hand hat ihn berührt! 
Der Wende ist gastfreundlicher und häuslicher Natur, beides Dinge, die 
er aus der altslawischen Familien= und Hausgemeinschaft überkommen hat. 
Das Brot liegt den ganzen Tag auf dem Tische und wird gern dem 
Fremdling mitgeteilt. Weitaus die größte Mehrzahl der wendischen Haus- 
wirte findet im eigenen Heim die Befriedigung, welche zu einem gedeihlichen, 
friedlichen Leben not thut. Der Hausvater steht in der Familie obenan. 
Er sowohl wie die Hausmutter werden in einem echt wendischen Bauernhause 
von den Kindern mit „Sie“ angeredet. Der Hausvater gebietet allein, und 
Frau, Kinder und Gesinde unterwerfen sich seinem Willen. 
Während er die Arbeiten leitet und selbst besorgt, hält die Frau das 
Hauswesen in Ordnung, besorgt den Kochherd und das Vieh im Stalle, 
bessert die Kleider aus und hält die Kinder zur Schule und zur Arbeit an. 
Letztere müssen von Jugend auf in der Wirtschaft thätig sein. In Gegenden, 
wo noch das Viehhüten üblich ist, sieht man die kleinen Hirten frühzeitig 
mit ihren Herden auf die Acker und Wiesen ausziehen, in der Regel um 
den Leib ein Tuch gewickelt, in dem sich das Frühstücksbrot befindet. Hirten 
und Leute, die im Frühjahr das erste Mal zur Arbeit aufs Feld gehen, 
werden mit Wasser begossen: das bedeutet, sie sollen frisch bleiben und 
der Arbeit nicht überdrüssig werden. Geht die Frau aufs Feld oder in den 
Wald und hat ein kleines Kind mit, so trägt sie dasselbe in einem festen, 
grauen Leinwandtuche, der troskawa, auf dem Rücken. Draußen auf dem 
Acker hängt man die trockawa zwischen zwei Stäben auf, so daß das Kleine 
wie in einer Hängematte darin liegt. 
In manchen Gegenden ist es Sitte, daß an den Erinnerungstagen von 
Schloßen= und Hagelwettern die Mädchen auf den Feldern herumziehen und 
kirchliche Lieder singen. 
Eine große Rolle im Dorfleben spielt die Gemeindeversammlung (hro- 
mada), an welcher sämtliche Wirte teilnehmen. Dazu ladet der Schulze 
(solta) ein, indem er ein krummes Holz (kokula) oder einen hölzernen 
Hammer (die beja, hejka), an dem ein Zettel angeheftet ist, herumsendet. 
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