Full text: Sächsische Volkskunde.

356 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden 
Der Empfänger giebt sie an den Nachbar weiter, oder wirft sie über den 
Zaun in Nachbarshof, oder legt sie auf die Thürschwelle, wenn niemand 
daheim ist. An manchen Orten wird anstatt der beja ein schwarzes Täfelchen 
weitergegeben. Auf den Gemeindeversammlungen geht es mitunter lebhaft 
zu. Im Sommer unter einer Linde im Dorfe, im Winter in der Schenke 
abgehalten, bieten sie Gelegenheit, neben den behördlich angeordneten Vorlagen 
allerlei Privatsachen meist streitiger Natur vorzubringen. Vor allen ist es 
wulka hromada, große Gemeindeversammlung, welche an Fastnacht statt- 
findet, wobei man das, was man gegen seinen Nachbar auf dem Herzen hat 
oder was sonst in der Gemeinde zu Unrecht geschehen zu sein scheint, häufig 
unter Nichtachtung aller parlamentarischen Formen zur Sprache bringt. 
Der Wende ist ein eifriger Tänzer; in den Spinnstuben an den Winter- 
abenden, oder an schönen Sommertagen auf dem Dorfanger, an Festtagen 
im Wirtshause giebt er sich gern der Tanzbelustigung hin. Wenn in neuerer 
Zeit auch im wendischen Gebiet die modernen Rundtänze mehr und mehr 
Sitte geworden sind, so giebt es doch noch Orte, wo der alte wendische 
Nationaltanz gehegt wird. Er hat einige Ahnlichkeit mit der Polonaise und 
dem Menuett. Das Volk selbst nennt ihn den wendischen Tanz. Der Vor- 
tänzer tritt vor die Musikanten mit seiner Tänzerin, faßt sie an der Hand, 
hebt diese hoch und nun fängt das Mädchen an auf einer Stelle sich herum 
zu drehen. Nach einer Weile dreht sich der Tänzer um seine Partnerin 
herum, fängt an zu juchzen und zu singen, und mit den Füßen zu stampfen. 
Dann drehen sie sich gemeinsam im Reigen herum. Zugleich holen sich die 
übrigen Burschen ihre Tänzerinnen, schwenken sich auf einem Platze stehend 
mehrere Takte nach rechts und links und drehen sich gleichfalls dann mit 
ihrer Tänzerin herum, u. s. w. Häufig begleitet die ganze Gesellschaft den 
Tanz mit Gesang. 
Sehr selten sind die alten nationalen Musikinstrumente geworden, auf 
denen zum Tanz aufgespielt wird. Als Hauptinstrument gilt der Dudelsack, 
von dem es zwei Arten giebt: einen größeren, welcher den gehörnten Kopf 
des Ziegenbockes trägt und daher kozol heißt, und einen kleineren, der dieser 
Zierde entbehrt und nur sackartig gestaltet ist, daher mêchawa genannt. 
Beide bestehen aus einem Sack von geschmeidigem Leder, einem Blasebalg 
und zwei vornheruntergehenden Röhren. Beim Spielen wird der Sack fort- 
während gedrückt, um Luft einzupumpen und diese durch die Röhren zu 
lassen, wodurch der Ton hervorgebracht wird. Auf der einen Seite der 
Röhren, die mit Löchern versehen ist, wird die Melodie gespielt, auf der 
anderen bläst mit dumpfem Brummen der Baß. 
Die wendische Geige (husle) hat eine eigentümliche Form. Der Boden 
ist dünn und ganz flach, die Decke hochgewölbt und mir Schalllöchern ver- 
sehen, die Seitenwände sind bedeutend ausgeschweifst, der Steg ist hoch. In-
	        
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