M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 363
Sie hat daheim zu bleiben und hat knieend am Bettchen des Kindes bei
jedem Betglockenschlagen ein „Vaterunser“ zu sprechen. Das Taufhemdchen
steckt man an die Vorhänge des Wochenbettes, hängt es wohl auch bei Knaben
an die Sense, bei Mädchen an den Spinnrocken. Dort bleibt es von der
Taufe bis zum Kirchgange.
Beim Kirch- und ersten Ausgang, wo die Mutter im Gotteshause ein-
gesegnet wird, achtet sie darauf, daß der Talar des Geistlichen den Kopf des
Kindes streift, dann wird es klug. An manchen Orten gehen beim Kirch-
gang die weiblichen Paten mit in das Gotteshaus und dann wird daheim
erst das eigentliche Taufessen abgehalten.
Noch sei hinzugefügt, daß in der Parochie Schleife eine bestimmte
Reihenfolge in der Namengebung stattfindet. Heißt der Vater Matij
(Matthäus), so heißt der erste Junge Hanzo, der zweite Matij, der dritte
Juro (Georg), der vierte Kito (Christian), der fünfte Merten; heißt die
Mutter Hana, so heißt das erste Mädchen Marja, das zweite Hana, das
dritte Madlena, das vierte Liza, das fünfte Khrysta, das sechste Wôrta
(Dorothea), das siebente Wörsla (Ursula). Stirbt eins der ersten drei
Kinder, sa nennt man die folgenden Hadam (Adam) bez. Jeva (Eva) oder
Sara, damit sie am Leben bleiben.
b) Trauung und Hochzeit.
Die Hochzeitsfeier bildet den Höhepunkt im festlichen Leben der Wenden.
Sie ist mit einer solchen Menge von eigenartigen Gebräuchen umgeben, daß
es unmöglich ist, dieselben hier erschöpfend darzustellen. Nur auf die Haupt-
eigentümlichkeiten sei hingewiesen.
Die Einladung zur Hochzeit erfolgt durch den braska oder druzba, den
Hochzeitsbitter. Mit dem Dreimaster (neuerdings Cylinder) auf dem Kopfe,
mit bunten Tüchern und Bändern geschmückt, in der Hand einen starken
Stock mit Elfenbeingriff, an dem auch ein buntes Tuch befestigt ist, zieht er
aus, um in wohlgesetzter Rede mit vielen Komplimenten die Gäste, unter
denen die Paten der Braut und des Bräutigams nicht fehlen dürfen, zur
Trauung und Hochzeit zu bitten.
In der Heide, sowie in der Niederlausitz geschieht die Einladung durch
zwei Freunde des Bräutigams. Man nennt sie podrukba und zwar ist der
eine der große, wulki, der andere maly, der kleine podruzba. Hoch zu
Roß erscheinen sie und laden etwa mit folgenden Worten ein: „Wir beiden
sind hierher gesandt von dem ehrbaren Bräutigam N. N. und der ehrbaren
Braut N. N. und deren Eltern. Sie lassen euch bitten, ihre Hochzeitsgäste
sein zu wollen und in die Wohnung des ehrbaren Bräutigams (der ehr-
baren Braut) zu kommen künftigen Dienstag vormittags um 10 Uhr zum
kleinen Mittagsmahl. Vom kleinen Mittagsmahl wollen wir in die Woh-
nung der Braut zum Willkommen gehen. Dort laßt uns ein Gläschen