Full text: Sächsische Volkskunde.

M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 371 
Am Gründonnerstage soll man Flachs säen, ebenso am Tage der 
grünen Marie (25. März). Dem Säemann steckt man 2 Eier in die Tasche, 
die er auf dem Felde essen soll, dann gerät der Flachs wohl. 
In der Osternacht soll die Hausfrau das Wohnzimmer von den 
4 Ecken aus nach der Mitte zu kehren und den Kehricht auf die Straße 
werfen, dann ist das Haus vor Behexung geschützt. 
In der Andreasnacht horcht man an Kreuzwegen, bei Rainsteinen u. s. w. 
da kann man vieles hören. — Die Mädchen teilen einen Apfel in 2 Hälften: 
die eine essen sie, die andere legen sie unter das Kopfkissen, auf dem sie 
schlafen. Dabei sagen sie: Lieber Andreas mein, laß mir erscheinen den 
Herzallerliebsten mein! Der Bursche, welcher im Traume erscheint und die 
andere Hälfte des Apfels ißt, ist der zukünftige Mann. 
Der Aberglaube bei wichtigen Lebensvorgängen. 
a) Bei der Geburt und beim Kinde: Eine Mutter hat vor der Geburt 
des Kindes eine Menge Regeln zu beobachten, um das Kind nicht zu schädigen: 
sie darf nicht stehlen noch naschen, nicht lügen u. s. w., sonst erbt das Kind 
diese Untugenden; beim Schreck darf sie sich nicht am Körper irgendwo hinfassen, 
sonst bekommt das Kind ein Mal an der Stelle; ist es doch einmal geschehen, 
dann bekreuzt sie die Stelle und kann so den bösen Folgen ausweichen; sie 
darf durch keine Spalte sehen, sonst schielt das Kind; sie darf kein Holz 
über dem Knie zerbrechen, sonst knacken dem Kinde die Knöchel beim Gehen 
u. u. m. (Man baachte, daß manche dieser abergläubischen Ansichten einen 
sanitären Hintergrund haben!) — Kinder unter einem Jahre dürfen nicht in 
den Regen kommen, sonst bekommen sie Sommersprossen; dürfen nicht in den 
Spiegel sehen, sonst bekommen sie Vorahnungen und werden furchtsam. 
Ein neugebornes Kind bekommt sofort ein Gesangbuch oder Gebetbuch 
in die Wiege hineingelegt, damit es nicht gegen einen Wechselbalg (premênk) 
ausgetauscht wird. Aus demselben Grund darf es nie allein in der Stube 
sein. Die Mutter läßt wenigstens die Stubenthür offen, wenn sie hinaus- 
geht. Den Wechselbalg bringt der Teufel: entweder legt er einen Strohwisch 
an Stelle des weggenommenen Kindes und daraus wird der Wechselbalg 
oder er legt ein Lehmkind hin. Der Wechselbalg hat einen großen Kopf 
und dicken Bauch; ist geistig ganz beschränkt und kriecht auf Tischen und 
Bänken herum. Er stirbt bald. — 
Will man des Kindes Zukunft erfahren, so legt man vor dasselbe, 
wenn es entwöhnt wird, ein Buch, etwas Brot und ein Geldstück. Nimmt 
es das Buch, so wird es klug und gelehrt; greift es nach dem Brote, so 
wird es nicht Nahrungssorgen haben; beliebt ihm das Geldstück, so gelangt 
es zu Reichtum. Läßt es aber alles unberührt, so werden Kummer und 
Armut sein Los sein. 
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