Full text: Sächsische Volkskunde.

372 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 
b) Bei der Hochzeit. Regnet es, wenn man zur Trauung fährt, so 
werden die Eheleute viel Thränen vergießen; regnet es aber, wenn sie aus 
der Trauung kommen, so werden sie Glück und Geld haben. — Ein Stück 
Werg, eine Hand voll Gemüse, eine Schnitte Brot sowie das Milchtuch soll die 
Braut zur Tranung mitnehmen, dann wird sie Glück im Hauswesen haben. — 
Bei der Trauung müssen Braut und Bräutigam dicht bei einander stehen, damit 
der Teufel nicht dazwischen kommt. — Beim Knieen vor dem Altar muß der 
Bräutigam trachten, der Braut auf einem Stück des Rockes zu knieen, dann 
hat er die Herrschaft im Hause. Wer bei der Einsegnung die Hand oben 
hält, hat ebenfalls die Herrschaft zu erwarten. 
Kommt die Braut aus der Trauung, so soll sie gleich in den Stall zu 
den Kühen gehen, dann melken sie gut. Hierbei stößt sie eine dazu hin- 
gestellte Kanne mit Wasser um. Sie reinigt die Krippe und thut Futter 
hinein, dann fressen die Kühe bei ihr gut. — Die junge Frau bringt eine 
Henne mit in das neue Gehöft und läßt sie dort los. Bleibt das Tier 
dort, so bleibt auch die neue Wirtin bis zu ihrem Tode da; fliegt es fort, 
so wechselt sie den Wohnort mit der Zeit. 
Tc) Bei Krankheiten giebt es unzählige abergläubische Meinungen und 
Bräuche. 
Das Versprechen hilft bei großen Verwundungen, um das Blut zu 
stillen, bei Zahnschmerzen, gegen Warzen, Hühneraugen, gegen die Rose u. a. m. 
z. B. Herzspann, Krampf (spink) verspricht man so: „Herzspann', rücke 
dich, mit meinen 2 Fingern kreuzweis bestreiche ich dich. Das walte Gott, 
Vater, Sohn und heiliger Geist.“ Das Ganze wird dreimal durchgesprochen. 
Das Bestreichen kranker Körperstellen und das Versprechen üben als Spe- 
zialität die sogen. Kräuterfrauen oder Kräutermänner aus. Sie brauchen 
nicht einmal den Kranken zu sehen; es genügt schon, wenn sie ein Hemd 
des Kranken erhalten und darüber ihre Segnungen vornehmen können. Das 
Versprechen kann ein Mann bloß von einer Frau, eine Frau bloß von einem 
Manne lernen. 
Vor einiger Zeit hörte ich von folgendem Kurverfahren: ein ganz kleines 
Kind litt an zwei Leistenbrüchen. Man nahm eine Schnecke, bei Sonnen- 
untergang wurde sie unter den entsprechenden Worten in einen hohlen Baum 
gethan, die Offnung wurde mit Lehm verschmiert und wie die Schnecke ver- 
gehen mußte, so sollten die Schäden verschwinden. (Die Heilung trat bald 
darauf thatsächlich ein, natürlich ohne ursächlichen Zusammenhang damit!) — 
Das von Leichensteinen herabtropfende Wasser hat auch heilende Wirkung, 
z. B. bei Warzen und Geschwüren. 
Ganz alltäglich kann man unter den Wenden hören, daß jemand, der Kopf- 
schmerzen hat, oder der sich sonst nicht ganz wohl fühlt, sagt: mi je so stalo, mir 
ist's geschehen, d. h. ein böser Blick hat mich getroffen, dann kocht man Frauen-
	        
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