Full text: Sächsische Volkskunde.

M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 375 
die sich nicht eher sehen lassen, als dann, nachdem Hausvater und Haus- 
mutter gestorben sind. Dann gehen sie aber auch beide zu Grunde. Man 
nennt sie huz-góspodar und huz-góspoza. Die Hausschlange nährt sich mit 
Milch, welche sie den Kühen entzieht. 
Eine Abart des Kuboklcik bildet der Drache, zmij oder plon. Er 
bringt seinem Herrn Geld, Getreide, Milch u. a. zu: also er vermehrt das 
Vermögen des Hauses, danach unterscheidet man den Gelddrachen, Getreide- 
drachen, Milchdrachen, Quarkdrachen u. s. v. Man meint, daß die Sachen, die er 
bringt, gestohlen oder verdorben sind, und wer solche Sachen annimmt, muß 
schwer sterben, denn das Gewissen drückt ihn. Manche meinen, der Drache 
muß selbst kommen und die Person erlösen, sonst kann sie nicht sterben, man 
legt sie auf den Misthaufen, dann kommt der Tod. Fliegt der Drache durch 
die Luft und man will ihn haben, so ruft man ihm zu: „stej“, stehe, zastan, 
haltel oder man wirft mit Stahl nach ihm, oder zeigt ihm den Hinterteil, 
dann platzt er und schüttet das Geld aus. Doch muß man schnell unter ein 
Dach springen, sonst kriegt man eins ausgewischt. 
Man stellt sich ihn vor als feurige, geflügelte Schlange, als bunt- 
scheckiges Kalb, als nasses Huhn; oft zeigt er sich in der Gestalt einer 
glühenden Kugel, mit langem, feurigen Schweif und zwar hat der Gelddrache 
einen roten, der Getreidedrache einen blauen Schweif. In das Haus fliegt 
er durch den Schornstein hinein und ebenso hinaus. 
Jedenfalls ist der Drachenglaube ein weitverbreiteter, der mit Zähigkeit 
für wahr gehalten wird. Kann man sich bei jemandem den zunehmenden 
Wohlstand nicht erklären, so ist eben der Drache der Zubringer. 
Wo er bringt, bringt er reichlich. Hat der Quarkdrache seinen Quark 
verloren, so ist es eine solche Menge, daß die Schweine 4 Wochen zu 
fressen haben. 
Er hilft auch, wie die Kobolde, bei der Arbeit, z. B. den Frauen beim 
Essenkochen: 
In einem Dorfe hatte eine Bauersfrau den Drachen. Daher konnte sie immer 
lange auf dem Felde bleiben und arbeiten. Erst ¾12 Uhr eilte sie heim, um das 
Mittagsessen zu kochen und stets war es pünktlich fertig. Ein Knecht wollte gern wissen 
wie das zuginge, darum lief er ihr einmal heimlich nach ins Haus. Die Frau hatte 
die Thür verschlossen. Der Knecht aber trat an die Stubenthür und sah durchs 
Schlüsselloch. Auf der Ofenbank saß der Drache und der Knecht hörte, wie ihm die 
Frau zurief: „Thu' aus, Hänschen, thu'’ aus!“ (nämlich die Speisen). Der Drache aber 
entgegnete furchtsam: wöóon kuka, Marka, wön kuka! er guckt, Marie, er guckt! 
Zum Schlusse mag hierzu nur erwähnt sein, daß der Drache nichts weiter 
ist als die Personifikation des Blitzes, der Meteore und der Sternschnuppen, 
also von Naturerscheinungen, die früher dem Menschen unverständlich waren 
und ihm Furcht einjagten. Darauf deutet schon seine Gestalt als Schlange, 
Kugel. Diese ursprüngliche Anschauung verwischte sich jedoch und der Drache
	        
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