M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 377
ihre Wohnung haben sollen, sowohl in der Heide, wie an den Bergen; eine
andere, seltenere Art wohnt unter der Menschen Heimstätten. Sie werden
geboren als Kinder, werden getauft. leben in der Ehe und sterben. Ja, ver-
einzelt erzählt man, daß sie ihre Toten verbrannten und die Aschenreste in
der Erde vergruben. Dabei weinten sie und ließen ihre Thränen in Näfpchen
fallen, welche sie bei den Aschenhäufchen aufstellten. Man hat angenommen,
daß diese Erzählungen auf Überlieferungen aus uralten Zeiten beruhen, aus
Zeiten, wo die alten Wenden ihre Toten verbrannten. Doch ist dies ein
Irrtum, denn derartige genaue Details erhalten sich kaum ein Jahrtausend
hindurch. Näher liegt es anzunehmen, daß das Volk auf diese Ausschmückung
des Mythus durch die seit mehreren Jahrzehnten im archäologischen Interesse
geschehenen Ausgrabungen gekommen sei.
Unter der Erde haben die lutki Einrichtungen wie die Menschen. Sie
kochen in starken, irdenen Töpfen ihre Speisen; mitunter besuchen sie nachts
die menschlichen Wohnungen und kochen dort ihr Essen.
Interessant ist ihre Sprache: sie bezeichnen die Worte positiv und negativ
zugleich. Sie borgen z. B. bei den Menschen Löffel — Unlöffel (Nichtlöffel);
Tellerchen — Untellerchen Michttellerchen). In der geschmeidigen wendischen
Sprache klingt es gut; sklieku — nje sklieku, Eicku — nje Licku.
Sie tanzen gern und lieben Gesang und Musik. Wenn sie dem Menschen
etwas schenken, so verknüpfen sie ihre Gaben mit schalkhaften Schwierigkeiten
(vergl. die folgende Erzählung). Sie können mit Nebelkappen auftreten, durch
die sie sich unsichtbar machen. Den Glockenton können sie jedoch nicht ver-
tragen (das gilt von allen bösen Geistern und Hexen). Im ganzen kann man
von den Lutken sagen: sie haben viel ähnliches mit den Zwergen, Querxen,
Heinzelmännchen, mit den englischen elves, den dämschen unterjordiske.
Die lutki finden wir auch in Gemeinschaft mit „schlafenden Rittern“
in den Bergen, wo sie auf die Zeit warten, um aus dem Versteck hervor-
zutreten und für eine gute Sache zu kämpfen.
So erzählt das Volk vom Stromberg und vom Löbauer Berg:
Im Stromberg hatten sich, bald nachdem er aufgehört hatte Feuer zu speien und
sich abgekühlt hatte. Geldgeister, Zwerge festgesetzt. Ihre Waren kauften sie in Weißen-
berg und dabei gaben sie den Leuten Rätsel auf. Sie sagten: wenn jemand unsere
Rätsel lösen kann, dann dürfen wir nicht mehr im Stromberg bleiben und das würde
uns ärgern, denn es gefällt uns dort sehr wohl. Einst veranstalteten sie ein großes
Fest; dazu hatten sie alle Waren in Weißenberg und die Milch und den Quark in Maltitz
und in Särka aufgekaust. Anderntags ackerte ein Knecht auf den Feldern am Stromberg.
Da vernahm er im Berge das Werfen mit Kuchendeckeln und Ofenschaufeln. „Geht,
meine Braunen, geht,“ rief er den Pferden zu, „hier ists auch so, daß die Nase alles
und der Mund nichts erhält.“ Und siehe da, als er wieder an das Ende der Ackerfurche
kam, sand er dort ein weißgedecktes Tischchen; auf ihm lag ein Käsekuchen, ein goldenes
Messer und dabei stand ein Glas voll Bier. Aus dem Berge rief ihm eine Stimme zu:
„Den Kuchen kannst du essen, aber ganz muß er bleiben; das Bier darfst du trinken,