Full text: Sächsische Volkskunde.

378 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 
aber dabei das Glas nicht anrühren.“ Der Knecht überlegte sich die Sache eine Weile, 
dann schnitt er die Mitte des Kuchens heraus, so daß der Rand ganz blieb, aß den Kuchen 
und das Bier trank er durch einen starken Strohhalm aus. Als er damit fertig war, 
ackerte er weiter. Nach einer Weile fand er die Stelle leer, wo das Tischchen gestanden 
hatte und eine Stimme rief ihm zu: „dich hat der Teufel klug gemacht; nun müssen wir 
mit schwerem Herzen von hier weg“. 
Tags darauf erhielten die Bewohner von Krappe, Kittlitz und Unwürda (Krapow, 
Ketlicy, Wujer) von den Geistern Befehl, die Hunde an die Ketten zu binden und sich in 
Ruhe zu Hause zu verhalten. Ein Mädchen kam gerade diese Nacht von Nechen (Njechan), 
wo es zu Tanze gewesen, nach Hause und hörte und vom Stromberg her das Geräusch von 
Wagen und das Klappen von Pferdehufen. Neugierig trat es unter einen Thorweg und 
sah, wie zuerst eine Schar kleiner Geister in guter Ordnung vorüberzog. Darauf kamen 
Reiter in alten, verschossenen, langen Mänteln, hinter welchen 12 Hengste einen eisernen 
Wagen mit silbernen Radreifen zogen, auf dem ein mächtiger Braukessel lag, bis oben 
mit Goldstücken gefüllt. Darauf kamen wieder Reiter, angeführt von einem Ritter mit 
großem Federhut. Vor dem Thorweg, unter dem das Mädchen zitternd stand, hielt der 
Anführer und suchte etwas. Da faßte sich das Mädchen ein Herz, trat zu ihm und 
fragte, was er suche. Er antwortete: „ich habe meinen Ring verloren". Da begann es 
mit ihm zu suchen und war so glücklich, den überaus kostbaren Ring zu finden. Es über- 
reichte ihn dem Ritter und dieser sagte zu ihr: „ich habe gerade nichts bei mir, aber komme 
nur übers Jahr auf den Löbauer Berg, dort werde ich dich belohnen“. 
Als es übers Jahr hinging, das Brüderchen an der Hand mit sich führend, fand 
es ein großes Thor, welches in den Berg hineinführte, offen; es trat hindurch und erblickte 
in der Mitte des weiten Raumes einen großen, goldenen Tisch; an den Wänden saßen 
die Ritter schlafend. Kaum war es eingetreten, so hoben sie die Köpfe, einer trat zu ihm 
und fragte: beschenken sich die Wenden immer noch mit frischgebackenen Broten? Ja, 
antwortete es. Dann fragte der Alte weiter: fliegen immer noch die schreienden Vögel 
mit den langen Schwänzen in der Lausitz umher? Ja, ja, antwortete das Mädchen, noch 
giebt es genug Elstern in der Lausitz Dann, sagte der Alte, ist unsere Zeit noch nicht 
gekommen. Das Ende der Sage fasse ich kurz: das Mädchen füllt sich die Taschen mit 
Gold, vergißt dabei des Kindes und geht allein hinaus aus dem Berge. In Löbau 
schlägt es 1 Uhr und geräuschvoll schließt sich der Berg. Erst übers Jahr, 12 Uhr nachts, 
öffnet er sich wieder; das Mädchen eilt hinein, findet das unbeschädigte Kind, welches mit 
einem goldenen Apfel spielt, und nimmt es mit heim. 
Wer denkt nicht bei dieser Sage an Kaiser Rotbart im Kyffhäuser, an 
die Raben, die den Berg schreiend umkreisen? Oder an den schlafenden 
Kaiser Karl den Großen, an Holger Danske u. a.? Aber dieses Moment 
einer bestimmten historischen Persönlichkeit fehlt der wendischen Sage: die 
Erinnerung an die Zeiten der Machtstellung unter eigenen Fürsten ist den 
Wenden verloren gegangen. Nur eine Sage streift wenigstens diese Erinne- 
rung; das ist die vom Lubin oder „Thromberg“ (Traumberg?) bei Groß- 
postwitz. Sie berichtet: 
Einst saßen sieben wendische Könige auf den Steinen, die sich noch heute auf des Berges 
Gipfel befinden. Sie berieten, wie sie sich des Joches der Deutschen entledigen könnten. 
Bald darauf fand eine Schlacht statt und alle sieben Könige fielen. Sie wurden begraben, 
jeder mit seiner Krone und zwar unter dem Steine, auf dem er gesessen hatte. Die 
Kronen behüten die bösen Geister und bewachen die Grabstälte, bis einst bessere Zeiten 
für das wendische Volk kommen werden.
	        
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