M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 379
Die Sagen von den schlafenden Rittern sind im Hinblick auf den Tod
hochgestellter, kraftvoller Menschen entstanden: sie können nicht sterben,
wenigstens glaubt das Volk nicht an ihren Tod, und so leben sie weiter im
Bewußtsein des Volkes als schlafende und träumende.
Den Tod selbst hat der Wende in der Gestalt der Todesgöttin, der
smjertnica, personifiziert. Sie ist weißgekleidet, wohnt mit ihrem Manne
in einem Hause, dessen Thor mit einem Menschenfuße, die Stubenthür mit
einer Menschenhand verriegelt ist. Wer sie sieht, muß sterben. Das Vieh
wittert sie, darum heißt es, wenn der Hund heult; er sieht den Tod, es
wird jemand sterben.
Die Pest (mör) hat man in der Gestalt des Pestmannes, der in der
Erde, meist im Innern der Berge wohnt, und noch mehr in der der Pest-
frau, morawa Zzona, personifiziert. Um sie abzuhalten, umzieht man das
Dorf an seinen Grenzen mit dreifacher Ackerfurche. Diese Arbeit muß unter
vollständigem Stillschweigen nachts geschehen und zwar muß der Pflug von
nackten Menschen gezogen werden. Das ist z. B. im Jahre 1602 in der
Zeit der Pestilenz bei Sorau geschehen: dort zogen den Pflug 9 Personen:
2 reine Jünglinge, 6 ehrbare Jungfrauen und eine Witwe, die 7 Jahre in
unbescholtener Witwenschaft lebte. Russen, Slowenen und Bulgaren haben
genau denselben Glauben. Die Pestfrau zieht im weißen Nebelschleier über
die Erde.
Zum Schlusse nur noch einige kurze Notizen über einige mythische
Wesen, welche aus der Verehrung der Naturmächte entstanden sind.
Ungemein groß sind die Sagenkreise des Wassermannes, wödny muk.
Er entstand aus der Annahme, daß das Wasser eine besondere Seele hat
und daß diese Wasserseele ihr nasses Element verlassen kann. Den Wasser-
nix stellt man sich in der Gestalt eines alten, grauen Männleins vor. Oft
erscheint er in grüner Kleidung mit langem Haar. Er sitzt gern auf den
Teichdämmen und kämmt sein Haar. Sein Charakter ist wie der des
Wassers: bald gut, bald böse und tückisch. Mancher hat lange mit ihm
gesprochen, ehe er dahinter kam, daß er den Wassergeist vor sich hatte.
Seine Frau ist das Wasserweibchen. Die Kinder dieses Elternpaares gehen
gern zu den Menschen zu Tanz und Bier, und die Mädchen nehmen gern
ihre Liebhaber in das Wasser hinunter mit in die Wohnung der Eltern,
müssen sie aber vor dem Vater verstecken, sonst tötet er sie, „wenn er einen
Christen riecht"“.
Der nächtliche Jäger, cyterbjarnat (d. i. Dieterich von Bern —
Theoderich der Große von Verona) zeigt sich nachts von 12—1 Uhr. Mit
seinem Gefolge von Hunden und wilden Tieren zieht er hoch zu Roß mit
wüstem Geschrei und Lärm durch die Luft, besonders bei starkem Winde.
Oft sieht man ihn ohne Kopf. Er liebt bestimmte Wege. So kommt er