390 Cornelius Gurlitt: Die Dorfkirche.
so ist doch wahrscheinlich, daß die Sitte der Altarschreine erst im 15. Jahr-
hundert allgemein in die Dörfer drang.
Die Taufsteine sind zumeist von sehr ungefüger Gestalt, haben oft
über 1 m Durchmesser und sind aus einem Granitfindling herausgeschlagen.
Sie gleichen ausgehöhlten Halbkugeln (Fig. 154). Ein Rundbogenfries am
oberen Rand ist ihr einziger Schmuck.
Die Sakramentshäuser sind kleine, etwa 20 cm breite und tiefe, 30 cm
hohe Wandnischen, die oft durch eine schmiedeeiserne Gitterthür verschlossen
sind. Von den Thüren, die ich kenne, sind freilich die ältesten aus der letzten
Zeit vor der Reformation. Die Nischen selbst, bestimmt zur Aufbewahrung
des Altargerätes, dürften vielfach in romanische Zeit zurückreichen.
Von hoher Bedeutung sind die alten Glocken, die leider jetzt so rasch
aus unseren Kirchtürmen verschwinden, um größeren Geläuten Platz zu
— machen. Und doch gehören sie oft zu den ehrwürdig-
sten Zeugen christlicher Gesittung im Lande. Hof-
prediger Schubart in Ballenstädt wies nach, daß im
Anhaltschen schon im 11. Jahrhundert eine nicht
geringe Zahl von Glocken von den Türmen ihre
Stimme erschallen ließen. In Sachsen giebt es
solche, die sehr wohl zu gleicher Zeit oder doch im
12. Jahrhundert entstanden sein können. Solche
Glocken tragen meist keine Inschrift, sondern höchstens
Fig. 155. Eingeritzt in die Krenze und andere Zeichen, haben eine außergewöhn-
kleine Glocke der Kirche zu lich schlanke Form, einen sanftgewölbten Ubergang
Bolenz (13.Ihrh.)(XX213.) vom Körper zur Haube, eine steile, schwachhenkelige
Krone und ganz glatte Wandungen. Wir besitzen eine Anzahl Glocken, die
nach der Inschrift am Haubenrande den Namen des Gießers zeigen (Fig. 156),
des Heinrich, Sohn des Dieterich, der um 1300 vielleicht in Grimma lebte.
HHRIVRICVSEILIVS
Ol-DRRIGIOBFG CGI".
Fig. 156. Inschrift d. gr. Glocke d. Kirche zu Großwiederitzsch (um d. J. 1300). (XVI. S. 38.)
Eine eingehendere Darstellung der Geschichte der sächsischen Glocken ist z. Z.
noch nicht einmal versucht worden.
Die Inschriften auf den Glocken beginnen im 13. Jahrhundert häufiger
zu werden. Meist sind es im sogenannten Majuskeln geschriebene lateinische
Weihesprüche, die den oberen Rand des Körpers umgeben. Sie entstanden