Cornelius Gurlitt: Die Dorftkirche. 391
dadurch, daß die Buchstaben mit spitzem Griffel in die Gußform eingeritzt
wurde. Das mußte im Spiegelbild geschehen, sollte die als dünne erhabene
Linie auf der Glocke erscheinenden Ritzungen richtig aus dem Guß kommen.
Daher sind Fehler in der Schrift nicht selten, die dann zu falschen Lesungen
führen. Außer den Buchstaben finden sich gelegentlich auch symbolische
Zeichen, namentlich das 4 (Fig. 155) und K, sowie Kreuze an sächsischen Glocken
dieser Frühzeit.
Sehr merkwürdig sind die Arbeiten in Schmiedeeisen, namentlich die
Thürbeschläge. Ihre eigentümliche Gestaltung läßt auf ländliche Schmiede
hinweisen. Meist ist die Bohlenthüre mit geraden Bändern belegt, die zugleich
die Angeln bilden. Diese sind leicht aufgeschlagen und durch Punzen etwas
verziert. Außerdem sind aber die Bohlen der Thüren mit kurzen Eisenstücken
beschlagen, die in die Gestalt von Menschen, Tieren, Blumen oder lediglich
von Schnörkeln gebracht wurden. Von ganz ähnlichen Thüren berichten uns
die Veröffentlichungen über Norwegen. Es handelt sich hier allem Anschein
nach um eine sehr alte germanische Technik, deren künstlerischem Gedanken=
inhalte nachzugehen gewiß von hohem Werte wäre. Die Thüre zu Wahren
(Fig. 157, jetzt in der Sammlung der deutschen Gesellschaft zur Erforschung
Vaterländischer Altertümer in Leipzig) und jene aus Seelingstädt, Altpenig
und Beiersdorf seien als merkwürdige Beispiele genannt.
Die Dorfkirchen des frühen Mittelalters dürften in der Regel malerischen
Schmuck gehabt haben. Ich erwähnte bereits die leichte Ornamentation, die
man gelegentlich an der Außenseite findet. Manchmal trifft man auch
Spuren alter Bemalung, namentlich in der Altarnische. Doch ist es mir
bisher noch nicht gelungen, ein zusammenhängendes Stück einer solchen auf-
zudecken. Dies geschah ja in der Nikolai= und Martinskirche zu Meißen, in
der Kirche zu Thierfeld bei Hartenstein. Aber hier handelt es sich anscheinend
um Werke, die durch den benachbarten Herrensitz bedingt sind. Sie entstanden
nicht aus eigentlich ländlicher Thätigkeit, wenngleich die Kirchen selbst durchaus
den dörflichen Grundzug zeigen. Die Thierbachschen, wie die merkwürdigen
Sgraffiten an dem Klösterlein zu Aue, an denen sich sogar der Künstler
nennt: Martinus me fecit, Werke der Zeit um 1250, sind wohl Mönchswerk,
vielleicht einer Hand, da das Kloster auf gräflich hartensteinschem Grunde
errichtet ist. Daß solche Malereien vielfach noch unter dem Kalk sitzen und
daß bei jeder Kirchenerneuerung nach ihnen gesucht werden sollte, darauf
wäre mehr als es zumeist geschieht zu achten. Ich erinnere mich noch lebhaft
des Eindruckes, den ich auf den Apotheker und Kirchenvorstand in Aue eines
hellen Sonntagmorgens 1881 machte, als ich ihm erklärte, ich habe an der
fast glatten weißen Kirchenwand unter dem hie und da abbröckelnden Putz
Figuren gesehen; als ich darauf drang, daß diese bloß gelegt würden. Er
war dicht daran, nach der Polizei zu rufen, weil er unverkennbar mich für