Full text: Sächsische Volkskunde.

O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 417 
Menschengedenken verschwunden sind. In den Gegenden, wo reichlich Holz 
zur Verfügung stand, wurden diese Lauben meist balkonartig auf vor- 
kragenden Balken angelegt, sonst findet man sie aber auch häufig innerhalb 
der nach oben verlängerten Flucht der Erdgeschoß-Umfassung (Fig. 176). 
Derartige laubenartige Gänge an der Hofseite mit halbfreier Treppenanlage 
erkennt man sogar noch bei manchen alten Häusern Dresdens. Der Ur- 
sprung der Laube selbst aber ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Liewe 
der fränkischen Palas zurückzuführen; somit kennzeichnet dieser Gebäudeteil, 
in dem häufig auch die Treppe enthalten war, allein schon die höhere Kultur- 
stufe dieser Häuser und ihrer Erbauer. Dazu kommt aber noch, daß die 
Ausführung, wenigstens des Erdgeschosses in Mauerwerk, schon in früher 
Zeit anzunehmen ist und auch die Krüppelwalmen des mächtigen Daches, die 
bautechnische Schulung und Fertigkeit voraussetzen, weisen auf eine Ein- 
führung dieser Bauweise aus hoch kulti- 
vierten Gegenden hin. 
Neben diesen drei Grundformen ver- 
mißt man, abgesehen von den der Zahl 3 m 
nach doch nur verschwindenden vlämischen 5 “½ #- *7‘% 
Einflüssen, nicht ohne Befremden fast ö — 
jede Spur von zwei anderen, denen man 1 * i 
in Sachsen zu begegnen wohl erwarten 
dürfte. Zuerst nenne ich hier den säch- " 
sich-friesischen Einbau, der Tenne, . 
Ställe, Wohnung und Scheuer unter « — — — 
einem einzigen Dache enthält. Nach Fig. 176. Pieschen. Laubengang. 
dessen Spuren habe ich mich vergeblich 
umgesehen; das einzige, was entfernt daran erinnert, sind die schon erwähnten 
Schleppdächer und die Bekrönungen der Giebelspitzen, die doch wahrscheinlich 
mit der nordischen Mythologie in geistigem Zusammenhange stehen. Freilich 
ist zu vermuten, daß sie mehr den Zweck hatten, die Nationalität (das 
Deutschtum) des Ansiedlers anzuzeigen, als eine architektonische Tradition 
aufrecht zu halten. Ob stark verwischte und dadurch rätselhaft gewordene 
Anlagen, wie in Niedersteina und Rennersdorf, die alten Scheunen mit 
Laubengängen und Kammern etwa auf niedersächsische Einflüsse hinweisen, 
muß ich unentschieden lassen. Ferner sucht man, trotz der nahen Nachbar- 
schaft, vergeblich nach spezifisch oberfränkischen Anklängen; die höchst charakte- 
ristischen Brettergiebel Nordbaierns, die samt dem Dachvorsprung sich 
etagenweise vorbauen und wegen ihrer malerischen Reize schon auf Bildern 
der oberfränkischen Malerschule (Hans Scheuffelin, Burgkmair u. a.) sich 
vorfinden, fehlen in Sachsen gänzlich. Vielleicht übten die Bischofssitze als 
geistige Mittelpunkte doch auch auf das Bauwesen einen gewissen Einfluß 
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 27 
     
  
  
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BN 
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