Full text: Sächsische Volkskunde.

418 O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 
aus, so daß dasjenige Sachsens mehr nach Magdeburg als nach Bamberg 
gravitierte. 
Abstufungen nach der Größe. 
Ehe ich der eingehenden Beschreibung des Bauernhofs in allen seinen 
Teilen, wie er für das Königreich Sachsen jetzt als typisch gelten kann, näher 
trete, muß ich noch einer Mannigfaltigkeit in anderem Sinne gedenken. Sie 
betrifft die verschiedene Größe der bäuerlichen Wohnstätten samt Gehöfte. 
Die Zeit liegt auch für Sachsen nicht so gar weit zurück, da der Bauer sich 
einen Menschen im Vollgenuß aller bürgerlichen Ehrenrechte ohne irgend 
welchen Grundbesitz („ohne Halm noch Ar“) nicht recht denken konnte, und 
der Unterschied zwischen Großbauer und Häusler bildet in manchen Dörfern 
noch heute eine nicht zu überbrückende Kluft in der Rangordnung. Wenn 
der Städter davon nichts weiß und eine ärmliche Häuslerbesitzung als „ein 
kleines Bauerngütchen“ bezeichnet, so macht das dem Bauer ungefähr denselben 
Eindruck wie dem Soldaten, wenn man den Unterschied zwischen Bataillons- 
tambour und Major nicht kennt. Der Alleinberechtigte im Dorfe war ur- 
sprünglich der „Bauer“, auch Nachbauer oder Nachbar, so genannt, weil 
er nicht mehr umherzog oder mit anderen tauschte, sondern sich fest und zwar 
in der „Nähe“, im Gemeindeverband mit den anderen, anbaute. In Sachsen 
wird er auch noch als Hufner, Pferdner oder Anspänner bezeichnet und 
damit die Bedeutung des Pferdehaltens für sein Ansehen bestätigt. Die 
bairische Bezeichnung „Huber“ entspricht unserm Hufner und hat dort zu den 
unzähligen Spielarten der Huber im Familiennamen geführt, während beie 
uns die Hübner darauf zurückweisen. 
Der Bedarf an Arbeitskräften, der durch die eigne Familie des Bauers 
nicht gedeckt wurde, mag bald dazu geführt haben, kleinere Areale, frühere 
„Wurten“ oder „Gemeindeflecke", die bei der ersten Teilung aus irgend 
welchen Gründen im Gemeindebesitz verblieben waren, an „Gärtner“, 
Gartennahrungs= oder Wirtschaftsbesitzer zu überlassen. Man unterschied 
früher Hopfen-, Wein= und Krautpflanzer, auch die Bezeichnung „Schenken“ 
war im Gebrauch, sowie Hintersassen oder Hintersättler. Der Unterschied 
zwischen dem Hofe dieser Klasse von Dorfbewohnern, wenn sie zu Vermögen 
gekommen waren, und dem des zurückgegangenen Bauers hat sich mit der 
Zeit freilich oft verwischt, hingegen blieb er stets bemerklich zwischen dem 
Bauern und der dritten Klasse, nämlich den Häuslern. Dazu gehörten 
ursprünglich die Handwerker, die sich außerhalb der Bannmeile einer Stadt, 
auf dem Dorfe, ansiedeln durften. Durch „Vereinzeln der Grundstücke“ d. h. 
Zerschlagen mancher Bauerngüter sind, besonders häufig nach dem 30jährigen 
Kriege, Häusler, die das davon übrig gebliebene Wohnhaus erstanden, mitten in 
die „Nachbarschaft“ hineingekommen. Dem Häusler gehört häufig ein Garten, 
vielleicht auch ein Stückchen Feld, er ist aber trotzdem auf Tagelohn im herr-
	        
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