O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 423
kleines Fenster über der Hausthüre vorhanden. Die Verschlußvorrichtungen
der Thüren sind meist noch altertümlich und mitunter rührend primitiv.
Fallklinken mit einer Schnur von außen zu öffnen und Holzriegel, mit einem
Stift oder Pflock von außen zu verschieben, sind nicht selten; man findet
auch neben dem inneren Riegel kreisrunde Ausschnitte in der Brettthüre, damit
man von außen sich selbst öffnen kann. Gewiß ehrt diese Vertrauensseligkeit
die Sicherheitszustände auf dem Lande, vielfach handelt es sich aber auch
nur darum, die Thüre für das Vieh ungangbar zu machen. Wenn man
aber auch ganz hübsche Vexiervorrichtungen in Holz ausgeführt antrifft, so
sieht man, daß der Bauer die Kunst des Dorfschmieds nicht gern mehr in
Anspruch nimmt, als unvermeidlich ist und das übliche Verstecken des
Schlüssels auf dem nächsten besten Gebäudevorsprung muß dem Städter doch
ein lächelndes Kopfschütteln abnötigen. Von dem abergläubischen Hufeisen-
kultus, dem man in Berlin noch vor so vielen Eingangsthüren begegnet,
spürt man in unseren sächsischen Dörfern nichts.
Trotz der Abtrennung der Küche nimmt doch der Schornstein in älteren
Gebäuden regelmäßig noch seinen Anfang im „Haus", und zwar nicht in
der Erdgleiche beginnend, sondern in Deckenhöhe als unten offener Schlot,
unter dem jetzt noch wenigstens der Kessel (beim Waschen, Schlachten und
Futterkochen gebraucht) steht und in den die Rauchrohre vom Stuben= und
Küchenofen frei ausmünden. Der Schornstein ist nicht mit dem fränkischen
Hause ins Land gekommen, er ist viel jüngeren Datums; gleichwohl hält
es schwer zu sagen, wie früher die Rauchabführung mag beschaffen gewesen
sein. Die eigentümlichen Offnungen in den oberen Spitzen der Dachwalmen,
die in Böhmen und Schlesien noch angetroffen werden und die vermutlich
dem Rauchabzug dienten, habe ich in Sachsen nirgends angetroffen; ich bin
deshalb geneigt anzunehmen, daß das Vorkragen der Dachbalken und das
Herauslegen der Sparren auf Schieblinge, was ja eigentlich die Konstruktion
erschwerte, zu dem Zweck erfolgte, gegen Wind, Regen und Schnee geschützte
Auslaßöffnungen für den Rauch zu schaffen. Es wird dereinst von beson-
derem Interesse sein, auf Grund der Aufnahmen allerorten zu vergleichen,
in welchen verschiedenen Wegen das Schornsteinproblem in den verschiedenen
Gegenden Deutschlands früher gelöst worden ist. Als Baumaterial für den
Schornstein diente regelmäßig die Lehmstake, der wir bei den Gebäude-
umfassungen noch oft begegnen werden; beim Abbruch solcher Schornsteine
ist der mit Glanzruß und Holztheer getränkte Lehm nebst Stroh ein sehr
begehrtes Düngemittel. Häufig ist der Schornstein durch seitliche Offnungen
und Schieber mit der auf dem Dachboden eingebauten Räucherkammer
derart in Verbindung gebracht, daß man nach Belieben den Holzrauch (am
liebsten von Eichenspänen) die Fleischwaren und Speckseiten kann umkräuseln
lassen, ehe er über das Dach ins Freie abzieht. Das ursprünglichere Ver-