Full text: Sächsische Volkskunde.

424 O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorse. 
fahren war freilich die Aufhängung im Rauchfange, über dem offenen Herd- 
feuer; seitdem aber auch auf dem Lande, wenigstens im Winter, Braun= und 
Steinkohlen gefeuert werden, verbietet sich das jederzeitige Räuchern. Das 
ganz offene Herdfeuer mag wohl lange Zeit die Regel gebildet haben; 
für die zwischen Backenmauern und Rauchfang eingeschlossene Feuerung 
ist noch heute die Bezeichnung „polnischer Kamin gebräuchlich, die etwa 
in die Zeit August des Starken zurückweisen dürfte. Man trifft aber auch 
diese polnischen Kamine, mit Ausnahme des Kaffeeröstens, nur noch selten 
in Gebrauch. Als einzige Kocheinrichtung fand ich sie im Armenhause zu 
Hermsdorf, aber gleichfalls unbenutzt. 
Als zweite Feuerstätte im Hause mag wohl der Backofen entstanden 
sein, der ursprünglich regelmäßig in den Wohnraum hereingereicht haben 
wird, möglichst tief ins Erdreich eingesenkt, um Mauerwerk zu ersparen, 
rasche Abkühlung zu verhüten und den Raum über der Haube als geheizte 
Schlafstätte benutzen zu können. Das Backofengewölbe (die Haube) wurde 
aus sorgfältig durchgearbeitetem Lehm, mindestens ½ Elle dick, hergestellt: 
als Lehre diente ein ursprünglich wohl kreisrundes Korbgeflecht, ähnlich den 
geflochtenen Brodformen, die jetzt noch gebräuchlich sind, das dann dem ersten 
Anheizen zum Opfer fiel. Durch das Feuermandat vom Jahre 1775 wurde 
Freilage der Backöfen, außerhalb des Gebäudes, gefordert; nur durch das 
Vorgelege (den Hals) durften sie mit ihm zusammenhängen. So entstanden 
jene wohlbekannten niedrigen Anbauten unserer Bauernhäuser (z. B. Fig. 175 
und 182), unter besonderem Dächlein den Backofen und im Zwischenraum 
häufig noch entbehrliches Geräte, wie Holzschlitten, Schubkarren und dgl. 
enthaltend. Die Errichtung von Gemeindebackhäusern wurde in jenem 
Mandat besonders anempfohlen, sie sollte sogar „sportelfrei“ zulässig sein, 
es ist aber wohl nur an wenigen Orten der Anregung gefolgt worden, 
während man kleine Privatbackhäuser, frei im Hof oder Garten stehend, 
nicht eben selten antrifft (vergl. Fig. 217). Immerhin mag diese Anlage in 
manchen Dörfern eine so ungewohnte Neuerung gewesen sein, daß sie den 
Anlaß zur Entstehung von Familiennamen wie „Backhaus, Backofen, Bach- 
ofen“ gegeben hat. Eigentlich war ja auch der Backofen im Hause selbst 
unentbehrlich; seine strahlende Wärme wurde beim Käsemachen, bei der Milch- 
aufbewahrung zur kalten Jahreszeit und auch im Wohnraume notwendig 
gebraucht. Namentlich hier, im Wohnraum, mußte unbedingt Ersatz dafür 
geschaffen werden und so mögen hauptsächlich zu Ausgang des vorigen Jahr- 
hunderts, an manchen Orten wohl auch schon früher, jene ungeschlachten 
Ziegel= oder Kachelöfen entstanden sein, von denen einzelne noch jetzt im 
Gebrauch sind. Ihr mangelhaftes Funktionieren gab vielleicht Anlaß zur Ent- 
stehung des Familiennamens „Stubenrauch“". Sehr wahrscheinlich ist es ja 
nicht, daß der Ubergang vom offenen Herdfeuer zum Hohlofen unmittelbar
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.