Full text: Sächsische Volkskunde.

446 O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 
besonderen frei aufgestellten Bretthütte (vergl. Fig. 177), die bis auf einen 
engen Eingang ringsum geschlossen ist, so eingerichtet wird, daß er die Haus- 
thür, den Eingang zum Hofe und alles, was auf diesem vorgeht, gut über- 
sehen, anbellen, vielleicht auch die Waden des unbekannten Gastes erreichen 
kann. Um ihm das zu ermöglichen, findet man mitunter die Kette an einem 
Ring angehängt, der sich auf einer horizontalen glatten Stange längs der 
Gebäudefront fortziehen läßt. 
Den Mittelpunkt des Hofes nimmt in Sachsen zumeist die Dünger- 
stätte ein, es sprechen aber gewisse Anzeichen dafür, daß sie auf Grund 
slawischer Überlieferung früher nicht selten auch vor dem Hause an der 
Straße gelegen hat, wie das alemannische Dorf sie noch heute kennt. Als die 
zweckmäßigste Form der Aufbewahrung gilt in Sachsen eine Ummauerung 
an drei Seiten mit einer Zargenmauer etwa in Brusthöhe, während die 
4. Seite das Ein= und Ausfahren des Düngerwagens gestattet; unmittelbar 
unter der Düngerstätte soll die Jauchengrube liegen, deren Inhalt durch 
eine Kettenpumpe auf den Dünger oder in den Faßwagen geschöpft werden 
kann. Diesen Grundgedanken der Anlage erkennt man aber nur selten. 
Wenn die Düngerstätte als die Goldgrube des Landwirts bezeichnet wird, so 
muß man leider sagen, daß unsere Bauern mit ihrem Gold zumeist recht ver- 
schwenderisch umgehen; vielfach ist eine bestimmte Begrenzung des Dünger- 
haufens ganz zu vermissen, die Jauche fließt über den Hof, von einem Schutz 
gegen die Verwässerung durch Regen und Schnee ist nichts wahrzunehmen 
und die fast zierliche Anordnung der Schichten, an Geflechte oder Zöpfe 
erinnernd, wie man sie im Kanton Bern so häufig sieht, trifft man in 
Sachsen sehr selten an (Fig. 189). Die Dungstätte des Richters muß übrigens, 
wie jetzt noch für die Hühner, in alten Zeiten für die Dorfjugend eine ab- 
sonderliche Anziehungskraft ausgeübt haben, in manchen Dörfern war es ver- 
brieftes Recht der Dorfkinder, an den Nachmittagen der 5 Fastensonntage 
„beim Richter im Hofe auf'm Miste“ spielen zu dürfen; außerdem hatten 
sie ein Geschenk von Erbsen, sogen. alte Weiber, bei dieser Gelegenheit zu 
beanspruchen. In großen Höfen trifft man zuweilen rings um den Dünger- 
haufen starke Barrièren, den sogen. Kuhring an; er dient dazu, das Vieh zu- 
sammenzuhalten, wenn es während des Stallausmistens und um den Dünger 
besser durchzutreten zeitweilig auf den Düngerhaufen getrieben wird (vergl. 
Fig. 217 bei 0); in anderen Höfen findet sich hinter der Scheune ein ein- 
gezäuntes Stück Grasgarten zum Austummeln des Rindviehs vor (vergl. 
Fig. 177, der sogen. Garten); daher wohl die Redensart „ausgelassen sein“. 
Landwirtschaftliche Nebenbetriebe. 
Der im übrigen einer gewissen Normale sehr nahe kommende Bauern- 
hof erleidet in seiner baulichen Erscheinung einige Anderungen, wenn gewerb-
	        
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