O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 453
der roten Ziegel und der grünen Spaliere (der Weingeleite) und Baum-
wipfel ist dem für Zeichnung und Farbe empfänglichen Ange interessant und
erfreulich; häufig sieht man an alten Fenster-
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läden auch noch Spuren früherer effektvoller
Bemalung; waren doch auch die wenigen
Möbel wie die meisten Volkstrachten fröh-
lich bunt.
Aber nicht bloß der Maler, auch der
Architekt findet hier manches wertvolle, wenn
er nur erst gelernt hat auch solche Dinge zu
beachten, die zwar auf der Akademie nicht
gelehrt werden, die aber ihre tektonische Be-
deutung haben so gut wie die Architrave
und Mutulen (Fig. 203 aus Bockau). Ich
erinnere nur an die schon mehrfach er-
wähnten Bohlenstühle oder Umgebinde der lausiter Häuser mit ihren mannig-
faltigen Verspannungs= und Aussteifungs-
systemen (Fig. 204 aus Lohmen); die Holz-
säulen dieser Gebäude sind nicht selten in
geradezu stilvoller Weise, als schlanke, an
Gefäße erinnernde Stützen oder mit wir-
kungsvollen Einkerbungen der Kanten, ge-
staltet. Die Füllhölzer vor den Balken-
köpfen zeigen zuweilen zahnschnittartige
Verzierung in großem Maßstabe (Fig. 187
und 205) eine symbolisch ganz richtige An-
deutung des Zwecks. Die äußeren Ränder
der Giebelverschalungen sind manchmal in Bogen- Wellen= oder Zacken-
linien ausgeschnitten, deren Ursprung sich
kaum anders erklären läßt, denn als Re-
miniscenz der an Pflöcken ausgespannten,
wandbildenden Felle in grauer Vorzeit.
— Das Holzwerk der Fachwände und der
halboffenen Laubengänge, häufig rot oder
blau (Thor bezw. Wodan geheiligte Farben)
angestrichen, bildete bei alten Gebäuden in
der Regel Andreaskreuze, die sich mitunter Fig. 205. Gommlitz. Erdgeschoß-
in reichverzierter Ausgestaltung vorfinden. Umfassung.
Gewisse Anzeichen sprechen dafür, daß ur-
sprünglich die Langwände der Gebäudeumfassungen in ihrer ganzen Höhe
von solchen schrägen Kreuzen gebildet wurden — wie noch einzelne erhaltene
Fig. 20. Bockau. Winkelband.
Fig. 204. Lohmen. Kopfbänder
des Umgebindes.