O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 457
reien zu nennen, die manchmal Zweck und Kern eines sogenannten Vor-
werks oder Beigutes bilden. Diese Vorwerke sind in der Hauptsache selb-
ständige Gehöfte, die meist nachträglich hinzu erworben worden sind, deren
Bewirtschaftung aber dann absichtlich mit einer gewissen Einseitigkeit, z. B.
als Jungviehstation, als Schäferei oder dergl. erfolgt. Ferner findet sich
in den meisten Rittergütern eine Brennerei oder eine Brauerei oder
eine Anlage für Kartoffelstärkeerzeugung, welche deren bauliche Erscheinung
zwar beeinflussen, die sich aber den besonderen Verhältnissen anpassen müssen,
weil die Rohmaterialien und die Abgänge aus dem Wirtschaftsbetrieb ge-
liefert werden bezw. wieder dorthin zurückkehren. Hoher Schornstein, luftige
Kühlschiffanbauten und die eigenartigen Malzdarren-Aufsätze, sowie die ab-
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Fig. 215. a Schloß, b Wirtschaftsgebäude mit Kuhstall, Beamtenwohnhaus und Scheune,
JD Brenneret, d Scheunen, e Schrotmühle, f Schweine-, Pferde= und Ochsenställe, g Försterei
mit Schuppen und Keller, h Hofmühle mit Schuppen, Stall und Keller, i Sl-- und
Schneidemühle, k Schafhaus, 1 Düngerstätte, m Remisen.]
seits gelegene Pechhütte mit dem Dachreiter sind dann die charakteristischen
Merkmale in der baulichen Erscheinung. Auch Wassermühlen, zum
Getreidemahlen, Olpressen oder Knochenstampfen gehörten häufig zu den
Rittergütern; durch das Verpachten dieser Nebenindustrien an Braumeister
und Müller (daher der Familienname „Hofmüller"), die wieder eignen
Haushalt mit Pferden und Vieh haben, haben manche Rittergüter den Um-
fang kleiner Dörfer erlangt (Fig. 215).
Etwas andern Charakter haben sich meist diejenigen Rittergüter be-
wahrt, die aus dem befestigten Wohnsitz eines ritterbürtigen Lehnsherren
hervorgegangen sind. Gewöhnlich ist hier der Schloßhof von dem Wirt-
schaftshofe getrennt (z. B. in Rochsburg); beim Schloßhofe wird höchstens