Contents: Sächsische Volkskunde.

„ raucc 
484 K. Schmidt: Die bäuerliche Wohnung. 
Taube, in welcher man das Symbol des Friedens zu erblicken meinte. 
Einen außerordentlichen malerischen Schmuck erfährt — namentlich in den 
katholischen Landschaftsgebieten vom Kloster Marienstern bis Wittichenau — 
die Ausstattung des Ehebettes, für welches zuweilen eine nischenartige Er- 
weiterung (nugle) in der Stube geschaffen wird. Das in Fig. 234 dargestellte 
Innere einer solchen Stube mit seiner stimmungsvollen Umgebung stellt eine 
jener Handlungen aus dem Familienleben der Wenden dar, an denen das 
Gemüts= und Volksleben dieses Stammes so außerordentlich reich ist. 
Die alte Mutter in der gewöhnlichen Sonntagsnachmittagstracht verheirateter 
Frauen, am Tische sitzend und im Gebetbuche lesend, ist — während ihre 
Schwiegertochter mit dem Sechswochenkinde ihren ersten Kirchgang unter- 
nahm — so andächtig, daß sie die Rückkehr derselben mit der Bademutter 
kaum merkt. Die junge Hausfrau ist in der Abendmahlstracht zur Kirche 
gegangen, der große dunkle Radmantel ist auf dem Stuhl neben dem Bett 
abgelegt worden. An letzterem, welches befreundete Besucherinnen der Wöch- 
nerin mit Heiligenbildern schmückten, steht die Bademutter in der gewöhn- 
lichen Tracht verheirateter Frauen mit dem breiten bunt geblumten Mantel, 
um das Kind ins Wochenbett zurückzulegen. Vor demselben befindet sich die 
Hängewiege (üumpawa) der kleinen am Boden spielenden Tochter. Diese 
Hängewiege (im Vogtländischen „die Schwenk") bildet ein im Volksleben der 
Wenden wichtiges und zugleich praktisches Hausgerät. Als tragbares Stab- 
gestell wird es mit auf das Feld genommen, in das sackartige Grastuch 
werden die Kleinen auf dem Marsche über dem Rücken getragen! 
Zu dem vornehmsten Schmuck der Wohnstube der Wenden gehören auch 
die Spinnräder, an welchen die bildnerische Fertigkeit der Bewohner ganz 
besonders zum Ausdruck kommt. Mit diesen wandern die jungen Mädchen 
zu den benachbarten Freundinnen, oder sammeln sich unter dem schatten- 
spendenden Vordach oder suchen schließlich eine sagenumwobene alte Linde 
auf, um hier bei der schnurrenden Spindel aus dem unerschöpflichen Borne 
des Volksliedes ihre melodischen Weisen erklingen zu lassen. 
Wir moöchten diese Betrachtungen nicht schließen, ohne nicht mit wenigen 
Worten auch der alten Bauernschänke gedacht zu haben. 
Wie das alte Bauernhaus als ein Gebilde tiefster Naturnotwendigkeit' 
aus dem Boden heraus= und in denselben hineingewachsen sich darstellt 
wie die Bauernstube selbst als das Spiegelbild bäuerlicher Eigenart und 
bäuerlichen Selbstbewußtseins erscheint, so gleicht auch die gemeinsamem 
Zusammleben gewidmete alte Dorsfschänke einem Stück bäuerlicher Wohnung; 
dieselbe traute Ausstattung an den Bohlen umschlossenen Wänden und ge- 
stäbten niedrigen Holzdecken, dieselbe umlaufende Bank und derselbe behagliche 
große Kachelofen an dem typischen Standort, nur alles großräumiger und 
mehr geeignet der Ansammlung zahlreicher Besucher zu dienen. Hier vereinigte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.