A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst. 489
Der Kulturhistoriker kann sich leicht versucht fühlen, nur da von Bauern-
kunst zu sprechen, wo die Kunst eigentlich aufhört, wo jeder Anklang an die
civilisierte bürgerliche Kunst fehlt, wo ein derbes naturalistisches Pflanzen=
ornament das einzige Merkmal künstlerischer Ausstattung ist. Das hieße die
Eigenart des bäuerlichen Kunstsinnes ganz verkennen. Wer mit künstlerisch
geschultem Blick Umschau hält unter dem Hausrat des Bauern, der bemerkt
bald, daß das Liebäugeln mit den modischen Stilformen, mit der städtischen
Kunst einen sehr auffälligen Zug des bäuerlichen Kunstempfindens bildet, und
wird unwillkürlich mit besonderer Aufmerksamkeit den ganz verschieden abge-
stuften Anklängen an den städtischen Geschmack nachspüren. In seinem ganzen
Umfang kann das künstlerische Empfinden des Bauern nur überblicken, wer in
der angedeuteten Richtung soweit geht, daß er neben dem rein ländlichen auch
das städtische Gerät, welches er im Bauernhaus findet, beachtet und untersucht,
was der Bauer im einzelnen von städtischem Hausrat besonders bevorzugt.
Wie überall, so läßt sich auch in Sachsen die Entwicklung der bäuer-
lichen Kunst im allgemeinen nur bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts
zurückverfolgen. Daß sich von dem Bauernhausrat der früheren Zeit, der
Renaissance und des späteren Mittelalters, fast nichts erhalten hat, haben
wir gewiß zunächst als eine Folge des dreißigjährigen Krieges anzusehen.
Andererseits ist aber auch anzunehmen, daß sich das Bauernhaus selbst im
16. Jahrhundert noch nur eines dürftigen künstlerischen Schmuckes zu erfreuen
hatte, und daß sich eine eigentlichb äuerliche Kunst erst während des dreißig-
jährigen Kriegs und unmittelbar danach von der städtischen abgesondert und
zu einer gewissen Selbständigkeit entwickelt hat. Im letzten Viertel des 17. Jahr-
hunderts hatte sie, nach verschiedenen datierten Topfwaren zu urteilen, in
Sachsen bereits eine hohe Eigenart und Reife erlangt. Allein wie ander-
wärts, so bedeutet auch hier das 18. Jahrhundert die eigentliche Blütezeit
für die bäuerliche Kleinkunst.
Bei volkskundlichen Untersuchungen kann man nicht immer auf die
heutigen Landesgrenzen Rücksicht nehmen. Wer sich mit sächsischer Volks-
kunde befaßt, muß hauptsächlich nach zwei Seiten hin die gegebenen Grenzen
überschreiten, nach Nordosten und nach Westen: er kann nicht umhin, die
Kultur der Altenburger Lande und der preußischen Wendei mit in Betracht
zu ziehen. Bei der Untersuchung der künstlerischen Seite unserer ländlichen
Kultur schien sich dies ganz besonders zu empfehlen, und in der That hat
es sich in mehr als einer Beziehung als lohnend erwiesen, namentlich für
die Beobachtungen auf keramischem Gebiet.
Gleich bei dem ersten flüchtigen Uberblick über den kleinen Kreis von Er-
zeugnissen altsächsischen bäuerlichen Kunsthandwerks, die bis jetzt in die Museen
gelangt sind, gewinnt man den Eindruck, daß von diesen die keramischen
besondere Beachtung beanspruchen können. Für den Kenner der künstlerischen