490 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
Vergangenheit Sachsens hat diese Beobachtung nichts Uberraschendes. Die
Forschung hat vereinzelt schon seit längerem festgestellt, daß Sachsen nicht
erst mit der Erfindung des Porzellans in bedeutungsvoller Weise in die Ge-
schichte der Keramik eingreift, sondern daß es von jeher, seit der spätgotischen
Zeit, gerade in der Töpferei Tüchtiges, ja zum Teil Hervorragendes geleistet
hat und besonders fruchtbar gewesen ist. Inwieweit dies der Fall gewesen
ist, läßt sich keineswegs bereits klar übersehen. Noch fehlt es an gründ-
lichen Einzelforschungen, die eine genauere Sichtung unter den in Betracht
kommenden Thonwaren ermöglichten. Eins läßt sich aber mit Bestimmtheit
jetzt schon erkennen, daß gewisse Zusammenhänge bestehen zwischen den Er-
zeugnissen der bäuerlichen Töpferei und den vornehmeren Thonwaren, die
auf Sachsen zurückgeführt werden können; ja es läßt sich geradezu vermuten,
daß in einzelnen sächsischen Bauerntöpfereien des vorigen Jahrhunderts eine
künstlerisch höher stehende Industrie früherer Zeit ausklingt.
Es liegt infolgedessen an dieser Stelle ganz besondere Veranlassung
vor, die Grenzen des Themas zu überschreiten, in das Gebiet der höheren
Kleinkunst überzugreifen. Die Wichtigkeit des Gegenstandes rechtfertigt es,
daß wir der Betrachtung der eigentlichen Bauerntöpferei eine grobumrissene
Darstellung der Entwickelung der gesamten älteren Töpferei Sachsens voraus-
schicken.“)
Sachsen zeichnet sich, wie schon bemerkt, bereits in spätgotischer Zeit
in der Herstellung künstlerischer Thonwaren aus. Nur spärlich sind die Reste,
die von der deutschen Thonindustrie jener Frühzeit Zeugnis ablegen, sächsischem
Boden entstammen mit die wichtigsten und frühsten, Reste von ganz besonderer
Art. Wir haben in erster Linie die prächtigen, an Fliesen gemahnenden
buntglasierten und mit Relief verzierten Thonplatten im Auge, die einst die
äußere Mauer des an den Stadtgraben angrenzenden, daher Zwinger genannten
Bauteiles des ehemaligen Paulinerklosters in Leipzig schmückten, dessen Reste,
die Kirche ausgenommen, 1893 dem Neubau der Universität weichen mußten.
Diese Platten bildeten einen Fries von nicht weniger als 40 m Länge, der
in regelmäßigem Wechsel ungemein ausdrucksvolle, noch sehr streng gezeichnete
Christusköpfe und drei übereinander gestellte gotische Rosetten zeigte und mit
Borten von spätgotischem Laubwerk eingefaßt war, das sich um Rundstäbe rankte.
Die mit Laub umwundenen Stäbe wiederholten sich an dem unteren Teil der
Wand in einem besonderen Bande in rautenförmiger Anordnung. In kräftigem
Hochrelief geformt, mit wenigen, aber wirkungsvollen und gut zusammen-
stimmenden Farben (weiß, grün, gelb und blau) glasiert, hat dieser Fries
*) Für diese Darstellung hat mir Herr Prof. Dr. Karl Berling wertvolle unver-
öffentlichte Notizen und eine Reihe noch unpublizierter Photographien zur Verfügung
gestellt. Ich verfehle nicht, für dieses Entgegenkommen auch an dieser Stelle Dank
zu sagen.