A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst. 521
„Weihnachtsbergen“ und in den „Weihnachtspyramiden“. Fast jedes
Haus soll zu Weihnachten eine, wenn auch bescheidene „Krippe“ oder wenigstens
eine kleine Pyramide haben. Wo die Mittel sehr knapp sind, ist am Weih-
nachtsabend wenigstens ein schlichter, buntbemalter Hängeleuchter aus Holz,
mit einem Lichterkranz besteckt, an der Decke zu finden. Je nach den Ver-
mögensverhältnissen ist er einfach geschnitzt oder mit Figuren des Heilands
und der Apostel geziert, bisweilen auch aus bemaltem Metall oder Glas ge-
fertigt. Einen sehr schönen Weihnachtsleuchter von bemaltem Metall besitzt
das Museum für sächsische Volkskunde (Fig. 268). Der bescheidenste Weih-
nachtsschmuck ist ein an der Decke schwebender, buntbemalter Engel aus Holz,
der an Drähten Früchte (meist in Gestalt von vergoldeten Holzkugeln) sowie
Lichterteller oder auch Ollämpchen trägt.
Die „Pyramiden“ (der Volksmund kennt sie als „Perametten“ oder
„Lechter") treten in der verschiedensten Gestalt auf. Die rescheren stellen pyra-
midal sich nach oben zuspitzende, mehrstöckige, vielfach dreistöckige oder auch vier-
stöckige Rundtempel vor, die aus leichten Stäben oder Säulen und Pfeilern
aufgebaut und mit Lichtern besteckt sind und auf ihren Stockwerken („Platten“)
bewegliche Figuren tragen. Moritz Spieß beschreibt in seiner Schrift „Aber-
glauben, Sitten und Gebräuche des sächsischen Obererzgebirges“ ein besonders
reich ausgestattetes Exemplar folgendermaßen: „Eine solche [Pyramides be-
steht gewöhnlich aus vier Stockwerken („Platten“), die an einem in der
Mitte stehenden senkrechten Stab befestigt sind. An dem oberen Ende des
letzteren sind zwei Flügel angebracht, welche sich durch die Wärme der auf
die eigentliche Pyramide gesteckten Lichter drehen und dadurch das Ganze in
Bewegung setzen. Auf den Platten stehen verschiedene Figuren, die gewöhn-
lich die Entwickelung der christlichen Kirche von Christus bis auf die Gegen-
wart darstellen. Auf der unteren Platte die Gründung der Kirche, dar-
gestellt durch die Geburt Christi, die in der bereits beschriebenen Weise dem
Auge vorgeführt ist. Auf der zweiten Platte sind die ersten Jahrhunderte
angedeutet, z. B. aus flimmernden Steinen gebaute Höhlen, darin Holz-
figürchen, sollen an die Christenverfolgung erinnern, auf der dritten Platte
folgt das Mittelalter: Ritter, Bischöfe, die Reformation, Luther u. s. w. bis
endlich die vierte Platte mit der Neuzeit (geistliche und weltliche Beamte,
Soldaten u. dgl.) den Beschluß macht.“
Drei dreistöckige Pyramiden, die der Weihnachtsberg-Verein Aue 1898
in den Weihnachtstagen mit seiner prächtigen, ungewöhnlich umfangreichen
Krippe in Leipzig ausstellte, zeigten nicht ein so organisches und reiches
Figurensystem, wie es Spieß schildert. Unter anderem führten sie die An-
betung der Hirten, den Zug der berittenen drei Könige und die Flucht nach
Agypten vor. Vor die Pfeiler und die Säulen der Tempel waren die
Apostel und Engel gestellt. Bei allen drei Pyramiden waren die architek-