522 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
tonischen Teile sehr sorgfältig durchgebildet, die Gesimse reich profiliert, die
Stützen und Bogen in bestimmten Stilen gehalten. Die eine zeigte gotisie-
rende, die beiden anderen Renaissance= bezw. Barockformen. Einfachere Pyra-
miden bestehen nach Spieß in einem einstöckigen Aufbau von vier Stäben,
die mit buntem Papier aberzogen, durch Querleisten verbunden, oben in
einer Spitze vereinigt und mit Lichtern und anderem Christbaumschmuck
geziert sind.
Über den „Weihnachtsberg" (auch „Krippe“, „Eck“, „Betlehem“ und
Christ= oder Paradiesgarten oder auch, wie in Annaberg und Buchholz,
„Christgeburt" genannt), diese vornehmste, eigenartigste und reizvollste
Schöpfung des volkstümlichen erzgebirgischen Kunstfleißes, ließe sich Vieles
sagen. Allein er ist auch im Flachland bekannt genug und oft genug
beschrieben, und so können wir uns hier auf die notwendigsten Angaben be-
schränken. Gleich der Weihnachtspyramide nimmt er die mannigfaltigsten
Formen an, kommt er in den verschiedensten Abstufungen vom Einfachsten
bis zum Reichsten vor. Der schlichten Krippendarstellung des armen
Mannes mit ihren ein bis zwei Dutzend Figuren steht der mit mehreren
hundert Figuren ausgestattete Weihnachtsberg des Bergvereins Aue gegen-
über, der wohl allerdings an Größe und Pracht der Ausstattung kaum
seines gleichen hat. Den Mittelpunkt jedes richtigen Weihnachtsberges bildet
der Stall von Bethlehem, die Geburtsscene, der stets die anbetenden drei
Weisen aus dem Morgenlande und auf dem Wiesenplan davor die Hirten
mit ihren Herden zugesellt sind. Darüber schwebt am Christbaum oder an
der Decke der Verkündigungsengel. Bei reicheren Anlagen ist auch noch
der Zug der drei Könige und ihres Gefolges geschildert, denen ein über
der Geburtsstätte schwebender Stern aus Goldpapier den Weg weist. Je
größer die Anlage, um so ausführlicher und drastischer ist die Schilderung
des allmählichen Herannahens der Könige, deren Breite unmittelbar an die
Darstellung desselben Gegenstandes auf frühitalienischen und frühnieder-
ländischen Altarbildern gemahnt. Im Hintergrund ist mit einer mehr oder
minder großen Zahl von Häuschen die Stadt Bethlehem angedeutet. Bei be-
sonders großen Anlagen füllen den Hintergrund noch Nebenscenen, verschie-
dene Vorgänge aus dem Leben des Heilands, besonders aus seiner Jugend-
zeit, aber auch alle möglichen Vorgänge und Erscheinungen der Gegenwart,
die nichts mit der Heilsgeschichte zu thun haben: so Jagdscenen, Soldaten-
reihen, fahrende Eisenbahnzüge, Bergwerke, Springbrunnen u. a. Und nicht
selten — häufiger in Oberwiesenthal — wird das Ganze abgeschlossen durch
einen gemalten Hintergrund mit einem mehr oder minder kunstvollen, mitunter
sogar sehr natürlichen und reizvollen Landschaftsbild, das unter leuchtend
blauem Himmel ein hügeliges Gelände mit Palmen und in der Ferne eine
orientalische Stadt (Jerusalem) zeigt (siehe Fig. 269). Der Weihnachtsberg