530 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
Jahreszahl 1802 stimmen, die unter dem Gesims angebracht ist. Ebenso—
wenig paßt dazu die Rocaillemalerei und das Muschelwerk an den reich
geschnitzten Kapitälen. Andererseits stehen auch die mit Schleischen ver-
zierten Blumengewinde auf den Thürumrahmungen und die überaus zarten
Landschaften auf den Thürfeldern mit der Jahreszahl 1802 nicht recht im
Einklang: sie entsprechen durchaus dem graziösen Stil der Zeit Ludwigs XVI.
Dieser Epoche, d. h. etwa der Zeit um 1780, dürfte denn auch der Schrank
» angehören; die starken Reminis-
cenzen an den Rokokostil sind
in ihr noch vollkommen ver-
· " ständlich. Wenn dieser an den
GPG— F prächtigen Bauernmöbeln Ober-
—. — bayerns noch gegen die Mitte des
/. j ,( 19. Jahrhunderts unverfälscht
· . *7 auftritt,“) so dürfen wir daraus.
keine Schlüsse auf unsere Ver-
hältnisse in Mitteldeutschland
ziehen.
Daßsich das Streben des bäuer-
lichen Möbelmalers nach höheren
künstlerischen Effekten nicht allein
auf den Schrank ausdehnt, beweist
einegroße, schwarzgestrichene Truhe
im Museum für sächs. Volks-
kunde, aus der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts, in deren oben
bogenförmig geschlossenen Zier-
feldern deutlich die Renaissance-
füllung nachklingt und deren
Fig. 277. schwere, symmetrische Ranken-
malereien von echt barockem Gefühl erfüllt sind.
Die farbige Ausstattung des Möbels erstreckt sich in der sächsischen
Bauernstube bis auf die einfachsten Gebrauchsgeräte, selbst bis auf das
Mangelbrett und die Flachshechel, die mitunter hübsches Blumenornament
und aufsgemalte Buchstaben und Jahreszahlen zeigen, ja in manchen
Gegenden sogar bis auf das gewöhnlich schmucklose Topfbrett. In seiner
Einrichtung machen sich verhältnismäßig nur geringe Unterschiede bemerkbar,
wesentlichere nur in der Art seiner Anbringung und seines oberen Ab-
schlusses. Bald hängt es frei an der Wand, bald steht es auf einer niedrigen
*) Vergl. Zell, Bauernmöbel aus dem Bayerischen Hochland, 1899.