Die wendische, vogtl. u. altenburgische Volkstracht im 18. u. 19. Jahrhundert. 547
pflegten die Hochzeitsbitter und der Bräutigam noch als Zierat den sog.
Schmitz-Kittel mit sackförmigen Armeln anzuziehen. Diese Kleidungsstücke
sind nicht mehr vorhanden. Jetzt ist der Spenzer an ihre Stelle getreten,
ein kurzes, eng anschließendes olivenbraunes Jacket ohne Schöße, vorn mit
zwei Reihen Knöpfen, das über dem sog. Brustlatz getragen wird (Tafel IV, 9).
Eine Weste kennt der Altenburger nicht. Der Brustlatz wird links oben zu-
sammengeheftelt und über der Schulter zugeknöpft. Die glanzledernen oder
gelben Hosenträger sind darüber sichtbar und haben eine eigenartige Form
(Tafel IV, c). Die Hosenträger, die „Hosenheben“ erschienen bei den
deutschen Volkstrachten erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts, und da sie
sichtbar getragen wurden, so waren sie oft verziert. Die schwarzen Bein-
kleider aus Bock= oder Ziegenleder haben sich bis zuletzt erhalten und ge-
stalteten sich nur enger; die hohen weiten Stiefel wurden sogar mit der
Zeit so eng, daß es ein nicht zu unterschätzendes Kunststück wurde, sie anzu-
ziehen, und bezeichnend ist die Erzählung von dem eitlen Bräutigam, der
beim Stiefelanziehen vor der Trauung verrückt wurde (Tafel IV, cg). So
stolz eine Altenburgerin auf ihre Waden war, so sehr bemühte sich der
Altenburger, die seinigen zu unterdrücken. Die ledernen, gelben Strümpfe
sind längst verschwunden. Bei Halbstiefeln zog man gern über die schwarzen
noch weiße „Schaustrümpfe“ ohne Fuß, ähnlich den Wadenstrümpfen der
Tyroler. Zu Friesens Zeit war ein Vollbart der Schmuck des Bauern, jetzt
ist jeder Bart verpönt. Charakteristisch ist für die Mode des 19. Jahrhunderts
das Bevorzugen der schwarzen Farbe.
Die Jungfrauen umwickelten 1700 die geflochtenen Zöpfe mit grünem
Tuch, zwei lange seidene Bänder fielen an dem Nacken herab. Ein gestärkter
Kragen aus weißer Leinwand, der mit Draht rund gebogen war, lag um den
Hals. Eine lederne Mütze mit Fischotterpelz verbrämt saß auf dem Kopfe.
Die Frauen hatten denselben zur Trauer mit einem blauen Schleier umwickelt
und trugen an Ehrentagen eine seidne, gewirkte Haube, die wie ein Netz auf
die Achseln fiel. Oft wurde auch ein weißes Leinentuch umgebunden, das
vom Gesicht wenig sehen ließ. Der heutige Putz ist freilich ganz anders ge-
worden. Er besteht aus einem Tuche, das den Kopf einpreßt. An seinem
trichterförmigen Ende am Hinterhaupt hängen zwei durch Pappe fest gemachte
quadratische „Streifen“ herab, die oben wagerecht abschließen (Tafel IV, a d
und e). Dann und wann wurden an dem trichterförmigen Ende noch die
sogennannten „Scheiben“ aufgesetzt, die in dem runden Mittelstück Perlen-
stickerei zeigten. Haare und Ohren werden vollständig verdeckt und es gilt
für sehr liederlich, wenn sich verstohlen eine Haarsträhne zeigt. Die Bräute
und Brautjungfern trugen schon im 16. Jahrhundert das goldblinkende Hormet
oder Hormbt, das sich bis auf heute erhalten hat (Tafel IV, b). Es ist ein
hoher, cylinderförmiger Kopfputz aus Pappe, der mit Goldblech verkleidet ist
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