548 Die wendische, vogtl. u. altenburgische Volkstracht im 18. u. 19. Jahrhundert.
und vom 18. Jahrhundert an zwei oder drei Reihen goldener, gravierter
Kirschblätter aufweist, welche lustig bei jeder Bewegung des Kopfes klingen.
Oben auf der hintern Seite des Cylinders überragt den schweren Kopfputz,
der noch mit künstlichen Blumen, kleinen Spiegeln und allerhand Flitter
versehen ist, ein blumen= oder kornährengeschmückter Henkel. Bei der Braut
tritt an die Stelle der Blumen die Myrte. In ihrer Hand hält sie ein
langes, spitz zulaufendes Bouquet. Die Gevattern trugen um 1700 noch das
Hormet mit weißem „Vorgebinde“. Zwei breite gemusterte Bänder fallen
lang auf der Rückseite herab; zwei weitere Bänder werden unter dem Kinn
gebunden und halten den einer päpstlichen Tiara ähnlichen Kopfputz. Im
18. Jahrhundert wurden die Zöpfe zu beiden Seiten über das Hormet ge-
bunden und mit einem grünen Tuche festgehalten. Jetzt ist wohl an ihre
Stelle der oben geschilderte Henkel getreten.
Um den Hals wird jetzt ein schwarzseidenes Tuch geschlungen, dessen reich
gestickte, breite Enden vorn herabhängen. Zwei weitere Bänder werden außer-
dem noch unter der Schulter angeknöpft (Tafel IV, b und d). Das „salsche
Hemd“ hatte früher außerordentlich weite Armel, die bläulich gestärkt wurden.
Es ist wendische ÜMberlieferung, daß die Armel nicht dem Hemd selost,
sondern einem Überkleid angehören. (Vergleiche „Hottenroth, Handbuch der
deutschen Tracht“.)
Die rote Faltenjacke ist verschwunden; der Brustlatz aus Sammet oder
Seide hat sich zu dem mächtigen Panzer entwickelt, der heute bis zum Kinn
heraufragt, hinter dem die Altenburgerin schildkrötenartig ihren Kopf verstecken
und der auch als sicherer Aufbewahrungsort verschiedener Dinge benutzt
werden kann. Ja, ich habe sogar gesehen, daß Eßwaren dort ihre Herberge
fanden (Tafel IV, b und d). So ist eine Altenburgerin von Pappe ein-
geschlossen — vorne Pappe — hinten Pappe, aber in der Mitte schlägt ein
warmes Menschenherz. Das Mieder ist weit ausgeschnitten und hält den
Latz. Die Jacke (meist aus Kattun) heißt man, da von ihr nur die Armel
zu sehen sind, den „Armel“ (Tafel IV, e). Das Hemd ist kurz und ärmellos,
ein wahres Fragment eines solchen. In der Festtracht finden wir heute einen
seidenen Spenzer mit weiten „Schinkenärmeln“ (Tafel IV, d). Der ursprüng-
liche Rock hat aber die schlimmste Anderung erfahren (Tafel IV, d). Er ist
heute sehr anschließend, reicht nur bis über die Kniee und ist aus unzähligen
engen Fältchen so fest zusammengenäht, daß er, hingestellt, stehen bleibt.
Er zeigt verräterischerweise alle Formen, hindert seine Trägerin am schnellen
Ausschreiten und ist zum Bergsteigen überhaupt nicht eingerichtet. Links wird
er durch Häkchen zusammengehalten, deren untere bei der Arbeit aufgeknöpft
werden müssen, da sich sonst die Trägerin nicht bücken kann (Tafel IV, a).
Der schwere Seidenstoff und die vielen Bänder ließen oft einen Anzug weit
über 100 Thaler kosten.