Die wendische, vogtl. u. altenburgische Volkstracht im 18. u. 19. Jahrhundert. 551
oder Fastenzeit ausgegraben hatte, dem Schmied des Dorfes, der daraus
Fingerringe verfertigte, die gegen den sog. Klamm oder gegen die Gicht ein
vorzügliches Heilmittel abgeben sollten.
Herzförmige Kapseln, Medaillons, Siegelringe u. s. w. wurden zu allen
Zeiten sehr gern benutzt, um Bilder geliebter Personen und zumal Gestorbener
oder Andenken an diese, Locken u. s. w., aufzubewahren. Die barbarische Sitte,
Ketten aus Menschenhaaren zu bilden, war vor nicht allzulangvergangener
Zeit noch sehr beliebt. Religiöse Abzeichen, zumal die Embleme von Glauben,
Liebe und Hoffnung, findet man oft, Kreuze sind gebräuchliche Patengeschenke.
Als solche sind auch mit Filigranarbeit versehene Münzanhänger in Gegenden
beliebt, wo die Mädchen Münzgehänge als Brustschmuck tragen (Tafel I ).
Aber die Freude am Dekorieren erstreckte sich nicht nur auf den Gold= und
Silberschmuck, sondern zog auch die Knöpfe der Kleidungsstücke in ihr Bereich.
So finden wir sehr hübsch verzierte große Knöpfe an den langen Schwenkern
oder Bratenröcken und kleinere kugelrunde an den Westen.
Auf den Abbildungen unserer Tafel finden wir Halbedelsteine, oft
Granaten aus dem nahen Böhmen, überall mit künstlerischem Gefühl als
farbige Einsätze verwendet, und aus allen Stücken spricht die Freude des Land-
bewohners, sich möglichst wirkungsvoll zu schmücken. Selbstverständlicherweise
schwindet mit der Volkstracht auch die Eigenart des bäuerlichen Schmuckes und
nur noch als wertvolles Erbstück wird er einst dem staunenden Enkelkinde
gezeigt werden.
Die nächsten Jahrzehnte werden wenig noch von unseren Volkstrachten
sehen. Unsere Pflicht ist es, alles das, was wir von ihnen wissen, zu ver-
zeichnen und vor allen Dingen sie in einem Museum zu sammeln, um sie
dort der Nachwelt zu bewahren. Der „Verein für Sächsische Volkskunde"
hat sich dies zur Aufgabe gemacht. Noch ist es Zeit — allerdings die höchste
Zeit — helfen kann hier jedermann, denn in buntbemalten Truhen ver-
wahrt liegt noch manches alte Kleidungsstück. Dort ist's eine sichere Beute
der Motten, wenn es nicht von einer sparsamen Hausfrau zur Anfertigung
von Kinderkleidern benutzt wird. Wir finden in unseren ethnographischen
Museen die Kleidungs= und Ausrüstungsstücke wilder Völker; denken wir
doch endlich einmal an uns, an das Naheliegende, suchen wir die alten
Trachten zu sammeln, in denen unsere Urgroßeltern geweint und gelacht, die
sie sich selbst hergestellt oder durch sauer Erspartes erworben haben und
rufen wir uns die ernsten Worte zu, die Hazelius in goldenen Buchstaben
im Museum zu Stockholm angebracht:
„Es kann kommen eine Zeit, da all unser Gold nicht hinreicht, uns ein
Bild der vergangenen Tage zu formen!“