Full text: Sächsische Volkskunde.

56 Ludwig Schmidt: Die germanischen Bewohner Sachsens vor der Slawenzeit. 
zum Weideland und ein anderes Stück der Mark zur Bearbeitung mit dem 
Pfluge bestimmt. Alles nicht zur Sondernutzung überwiesene Land diente 
als Almende oder gemeine Mark den Interessen der Gesamtheit. Der Übergang 
von der Sondernutzung zum Sondereigentum gehört einer späteren Periode an. 
Für das öffentliche Recht hatten die Markgenossenschaften keine Bedeutung. 
Die Völkerschaft (civitas) zerfiel in Gaue und Hundertschaften. Der ger- 
manische Gau ist wahrscheinlich aus der Niederlassung einer Heeresabteilung 
von 1000 Männern mit ihren Familien hervorgegangen. Cäsar berichtet, 
daß die Hermunduren in hundert Gaue“) gegliedert waren, von denen 
jeder jeweils 1000 Mann zur Heerfahrt zu stellen hatte, während ungefähr 
ebensoviel zu Hause blieben, um für die Ernährung jener zu sorgen. Der 
territoriale Umfang der Gaue ist leider gänzlich unbekannt. An der Spitze 
standen die von der Volksversammlung gewählten Gaufürsten, welchen die 
Führung der Gaumannschaften im Kriege, die Handhabung der Rechtspflege 
und anfänglich die Leitung der agrarischen Angelegenheiten oblag. 
Die Hundertschaften waren noch zu Tacitus'’ Zeit rein persönliche Ver- 
bände, unter eigenen Anführern stehende Abteilungen von ca. 100 Kriegern, 
welche zugleich besondere Gerichtsgemeinden bildeten, in denen der Gaufürst 
unter Mitwirkung des Volkes Recht zu sprechen hatte. Die öffentliche Gewalt 
ruhte durchaus in der Volksversammlung, der Vereinigung aller freien und 
wehrhaften Angehörigen des Stammes; in dieser wurden Wahlen (des Königs 
oder Herzogs, der Gaufürsten) vorgenommen, Beschlüsse über Rechtsangelegen- 
heiten von politischer Bedeutung sowie über Krieg und Frieden gefaßt. 
Könige hat es bei den Hermunduren anfänglich nicht gegeben;“) im Kriegs- 
falle wurde ein Herzog gewählt, der an die Spitze des Heeres trat, aber nach 
Beendigung des Krieges sein Amt niederlegen mußte. Zum Jahre 49 erwähnt 
dagegen Tacitus einen hermundurischen König (rex) Vibilius. Wahrscheinlich 
hat sich dieses Königtum, wie vielfach anderwärts, aus dem ständig gewordenen 
Herzogsamt entwickelt; es scheint indessen nur vorübergehend bestanden zu 
haben, auch werden seine Machtbefugnisse sehr gering gewesen sein. 
Nach Cäsar wird das Land der Hermunduren erst wieder 9 v. Chr. in 
der Geschichte erwähnt. In diesem Jahre rückte der römische Feldherr 
Drusus durch das Land der Chatten in Swebien ein, zog hierauf nord- 
wärts zu den Cheruskern und bis an die Elbe. Auf dem Rückweg, den er 
die Saale aufwärts nahm, fand er den Tod. Sein Bruder Tiberius vollendete 
die Niederwerfung der Germanen; das Gebiet zwischen Rhein und Elbe 
konnte im folgenden Jahre als der römischen Herrschaft unterworfen gelten. 
*) Diese Zahl ist jedoch schwerlich richtig. Tacitus hat sie fälschlich auf die Sem- 
nonen übertragen. 
**) Das Gleiche gilt von den benachbarten Semnonen, während die Silingen wahr- 
scheinlich von Anfang an unter Königen standen.
	        
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