Full text: Sächsische Volkskunde.

64 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 
Amerika, Australien, Afrika ihre Nomenklatur aus dem Sprachschatz der Ein- 
geborenen bereichert haben und bereichern. Die Ankömmlinge (wie die Ent- 
decker) erfahren von den Landesgesessenen oder von ihren Führern, wie diese 
die betreffende Ortlichkeit nennen; und die so erkundete Bezeichnung, oft genug 
für die Eingeborenen nur ein allgemeiner Gattungsname, wird ihnen zum 
Eigennamen, zum Namen ihrer neu begründeten Niederlassung. 
Ortsbezeichnungen wie Bahra, Bahren (bara = Pfütze, Sumpfwiese), 
Dahlen (dolü — Grube, Thal), Colmen, Kulm (chülmä = Hügel), Lößnitz 
les = Wald), Bora (borü — Kiefer), Böhla, Biehla, Pöhl (bel#i —= weiß 
hell) weisen demnach für sich allein durchaus nicht notwendig auf slawische 
Gründung hin. Abgesehen von der Kunde, die sie über Bodenbeschaffen- 
heit-, Tier= und Pflanzenwelt uns überliefern, gestatten sie nur den Schluß 
auf das Vorwiegen einer flawischen Bevölkerung zur Zeit der Anlage.“) 
Dies gilt besonders auch von den sogen. Orientierungsnamen, d. h. Be- 
zeichnungen bestimmter, besonders auffälliger oder wichtiger Lokalitäten, wie 
sie an Straßenzügen z. B. überall und immer üblich und nötig gewesen sind. 
Hergeleitet von Gattungsnamen, von Ereignissen, die an dem betreffenden Ort 
geschehen sind, von Sagen und Bräuchen, die an ihn sich knüpfen, werden 
sie den Einwanderern überliefert und geben deren Siedlungen leicht fremd- 
klingenden Namen. 
Ferner ist zu beachten, daß viele slawische Benennungen im Gebirge den 
späteren politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Böhmen ihren 
Ursprung verdanken mögen; Einwanderern z. B. zur Zeit der Blüte des 
Bergbaus und in Perioden religiöser Bedrückungen, die heimische Namen 
mit herüber brachten. 
Endlich sind viele Dörfer slawischen Namens auch in der Ebene nach- 
weisbar erst zur Zeit der deutschen Herrschaft und durch deutsche Herren 
angelegt. Sie wurden slawisch benannt, teils in Anlehnung an den Haupt- 
oder Mutterort, teils, weil die Rodungen durch sorbische Hörige vorgenommen 
waren. Natürlich wird man diese Orte ebenso wenig dem altsorbischen Anbau 
des Landes zuteilen dürfen, wie etwa Niederlassungen, die ebenfalls erst zur 
Zeit der deutschen Eroberung und durch sie veranlaßt von flüchtigen Sorben 
im Gebirge begründet sind. 
Nur eine einzige Klasse von Ortsnamen deutet mit Sicherheit auf 
slawische Gründung zurück und giebt uns zugleich Auskunft über die ältesten 
sorbischen Anlagen. Es sind dies die Bildungen patronymischer Formen, die 
*) Ebenso in neuerer Zeit. Der Indianersprache entnommene Ortsnamen Amerikas 
haben nicht immer anfängliche Siedlungen der Rothäute zur Boraussetzung; und wenn 
an Fuhrten, Wasserplätzen, Berghöhen in unserm Ostafrika später nach ihnen benannte 
Ortschaften erstehen sollten, so wäre der Schluß auf ein vorher dort vorhandenes Neger- 
dorf in den meisten Fällen gewiß voreilig.
	        
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