Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze. Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 65 
auf Geschlechts= oder Sippendörfer hinweisen, entsprechend der sozialen Ver- 
fassung der Slawen zur Zeit ihrer Einwanderung. 
Aber ihre Feststellung ist mit sehr erheblichen Schwierigkeiten verknüpft. 
So kann Radmeritz allerdings bedeuten die Sippe des Radomer; es kann 
aber auch bedeuten die hörigen Leute des Radomer (wie Arntitz die des 
Arnold); und Strehlitz kann bedeuten die Sippe des Schützen (strela — 
Pfeil), aber auch — wie in Schlesien — das Dorf der Schützen, d. h. un- 
freier, zu bestimmten Jagddiensten verpflichteter Leute des Fürsten. Auch 
hier ist also in jedem einzelnen Falle sorgfältige Prüfung aller Nebenumstände 
geboten, und häufig wird auch hier nur chronologische Sicherung zu ver- 
läßlichen Resultaten führen.“) 
  
Über die Bedingungen und die Formen der ältesten Niederlassung der 
Sorben und der Slawen überhaupt wissen wir leider bis jetzt wenig Sicheres. 
Bis in die jüngste Zeit hinein hat man fast allgemein angenommen,“) 
daß die Ansiedelung sich vollzogen habe in großen Hauskommunionen nach 
Art jener jetzt noch bestehenden südslawischen zadruga's, die uns von E. de 
Laveleye (Ureigentum 1879, S. 371 ff.) u. a. so oft und so anschaulich und 
liebevoll geschildert sind. 
Unter Leitung des „Altesten“ hätten mehrere Generationen in haus- 
genössischer Gemeinwirtschaft, in Erwerb und Verzehr, zusammengelebt. 
Trennung und Abzweigung hätten daraus das Sippendorf, Teilung der 
im Gesamteigentum der Hauskommunion befindlichen einzelnen Feldstücke 
die sogen. „slawische" Flurverfassung mit ihren regellos liegenden, unregel- 
mäßig geformten Blöcken und Parzellen entstehen lassen. 
Neuere Forschungen'““) haben nunmehr die Unhaltbarkeit dieser Auffassung 
erwiesen. Die südslawische „zadruga“ gehört nicht der flawischen Urzeit an, 
sondern ist, wie der russische „mir“ ein Produkt weit jüngerer Zeit, und — 
wie dieser — wesentlich unter dem Drucke gewisser Abgaben und Steuerbelastung 
*) Über die Dorfform als Hinweis auf sorbische Gründung vgl. unten S. 102 ff. — 
J. Burgkhardt, das Erzgebirge (1888), führt die Rundlingsform mancher Gebirgsdörfer 
auf Gegebenheiten der Bodengestaltung zurück. 
**) Besonders nach dem Vorgang Palacky's, trotzdem inzwischen die sogen „Königin- 
hofer Handschrift“ als Fälschung nachgewiesen war. — Die „zadruga“ und die Dar- 
legungen Meitzen's über die „Dzedzinen“ und die flaw. Flurverfassung überhaupt er- 
hielten die obige Hypothese am Leben. — Auch ich bin ihr in meiner „Kolonisation 2c.“ 
und in der 1. Auflage der „Volkskunde“ gefolgt. 
*## .) Bes. von V. Levec, Rezension einer Schrift von K. Kadlec im Véstnik Slovanskych, 
Starozitnosti III. 1899 und J. Peisker, Zeitschrift für Social.= und Wirtschaftsgeschichte, 
VII. Bd., S. 211—326. Vgl. F. Rachfahl in den Jahrb. f. Nationalökon. u. Statistik 
III. F., Bd. 19, 1900. S. 202 ff. 
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 5
	        
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