Full text: Sächsische Volkskunde.

66 Ed. O. Schulze. Berlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 
entstanden. Von einem großen Familienverbande, einer Hauskommunion, 
nach ihrer Art ist also auch bei den Sorben nicht auszugehen. 
Immerhin aber bildet, wie bei den Kelten und Germanen, so auch bei 
den Slawen die Blutsverwandtschaft die Grundlage der wirtschaftlichen, 
sozialen und politischen Ausgestaltung des Lebens; auch bei ihnen erwuchsen 
auf und aus den Familien Geschlechter und Stamm. 
In größeren Volksverbänden nahmen sie das Land in Besitz, das an- 
scheinend zunächst im Gesamteigentum des Stammes verblieb. Längere Zeit 
hindurch haben dann vermutlich die einzelnen Sippen innerhalb des Stammes- 
gebietes mit dem Acker= und Weideland zugleich den Wohnsitz gewechselt. 
Die mit einander versippten Familien occupierten aus Wald und Weide 
nach Belieben jeweils soviel Land, als sie zum Anbau der nötigen Feld- 
früchte brauchten, bis sie dann schließlich, vielleicht unter dem Einfluß schärfer 
sich ausprägender Herrschafts= und Abhängigkeitsverhältnisse und größerer 
Volksdichtigkeit, dauernd sitzen blieben und zu mehr geregelter Wirtschafts- 
weise übergingen. 
Ob und in welchem Umfange in diesen kleinen Sippendörfern Gemein- 
eigentum, wenigstens an Wald und Weide, und gemeinsame Wirtschafts- 
führung bestanden, läßt sich kaum entscheiden. An dem Ackerlande scheint 
bereits früh die Besitzuahme und Bestellung durch die Einzelfamilie 
(die übrigens auch wohl verheiratete Kinder umschloß und deren Vorstand 
ziemlich unbeschränkte Gewalt ausübte), Sondereigentum begründet haben. 
Solange noch weitgedehnt nach allen Seiten Wildland zur Verfügung stand 
und die Produktion sich auf den eigenen Bedarf beschränkte, ohne Herren- 
zins und ohne Tauschverwertung nach außen, war ja naturgemäß der Occu- 
pation des Landes nach Willkür und Belieben kaum irgend eine Grenze 
gesteckt. 
Die Dörfer der Sorben, die auf diese Weise aus der Ansiedlung ver- 
sippter Familien, vielleicht zum Teil aus ursprünglichen Einzelhöfen, hervor- 
gingen, waren durchweg klein und weilerartig; villulae und viculae werden 
sie gewöhnlich in den Quellen genannt. 
Sie lagen in Gruppen oder über größere Landstriche hin dicht bei 
einander, wie noch jetzt z. B. in der Umgegend von Meißen und Dresden 
ersichtlich ist. Ihre Form wird uns später beschäftigen. 
Der Ackerbau der Slawen ist schon für die Zeit vor der sorbischen 
Einwanderung als eine Art wilder Feldgraswirtschaft neben (damals noch 
vorwiegender) halbnomadischer Weidewirtschaft bezeugt. Flüchtig wurde der 
Boden aufgebrochen und nach wenigen Ernten wieder dem Graswuchs über- 
lassen. Die Hütten, ebenso leicht niedergelegt wie aufgebaut, folgten dem 
jedesmaligen Acker= und Weideland.
	        
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