Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 67 
In den neu besetzten ostdeutschen Gegenden, wo bei zunehmender 
Volkszahl die deutsche Grenze im Westen, die nachdrängenden Stämme im 
Osten, Zzu dauernder Seßhaftmachung zwangen, trat naturgemäß der Ackerbau 
noch mehr in den Vordergrund, soweit die lokalen Bedingungen dies zu- 
ließen. Im Jahre 851 genügte schon die Vernichtung der Feldfrüchte und 
Vorräte und die Zerstörung der Saaten und Pflanzungen, um die Sorben 
zur Unterwerfung zu bringen. 
Immerhin zeigt schon die Rundlingform der Dörfer, die mit dem Teich 
in der Mitte und dem einzigen, leicht abschließbaren Ausgang einen vorzüg- 
lichen Pferch für das VBieh darstellte, welche Bedeutung die Viehzucht auch 
noch in dieser späteren Zeit im Wirtschaftsleben der Sorben hatte. 
Der Ackerbau blieb im wesentlichen doch beschränkt auf leichtbündigen 
Boden, der nicht allzu mühsame Arbeit erforderte. Schon das Ackergerät 
drängte dazu. Ohne eisenbeschlagene Spitze war der (von Kühen gezogene?) 
hölzerne Hakenpflug nach der Schilderung Helmolds und des Leubuser 
Mönches nur geeignet für leichtbündiges Erdreich. Mit gehärteter oder eisen- 
beschlagener Spitze erwies er sich freilich, ähnlich dem heutigen „Zahnstocher- 
pflug“, tauglich auch zur Lockerung steinigen oder wurzeldurchwachsenen so- 
wie schweren Löß-Bodens.) Aber schon seine Konstruktion hinderte inten- 
siveren Anbau. Er ritzte nur gleichsam den Boden, ohne ihn tief zu furchen 
oder gar die Scholle zu wenden. 
Auch bei dieser oberflächlichen Bearbeitung mochte der jungfräuliche 
Boden genügende und selbst relativ reichliche Ernten spenden. Die Bedürf- 
nisse der Bevölkerung waren gering. Weder durch allzu große Zahl und 
Knappheit des Anbaulandes, noch durch rücksichtslose Forderungen habsüchtiger 
Herren sah man sich zu angestrengterer Arbeit oder zur Urbarung mühsamer 
zu bebauender Striche gedrängt. Blieben die Erträge des Ackers einmal 
hinter der Erwartung zurück, so ließ sich vielleicht aus denen der Viehzucht, 
und weiterhin durch Fischfang, Jagd und Bienenzucht in den Wäldern das 
Fehlende ergänzen. 
Die Existenz der einzelnen Familien und ihrer Angehörigen war gleich- 
sam gesichert; es fehlte der innere Antrieb zu energischer Anspannung der 
Kräfte. Der Erwerbstrieb, die Seele der modernen individualistischen Wirt- 
*) So z. B. in der anscheinend dicht besetzten Lommatzscher Gegend. Auf die Ver- 
arbeitung von Erzen weisen Ortsnamen wie Cossern, Kobitzsch, Keuern hin. Es ist kaum 
anzunehmen, daß man nicht auf den Gedanken gekommen sein sollte, die Pflugschar mit 
eiserner oder eisenbeschlagener Spitze zu versehen. — Für die Konstruktion des deutschen 
Pfluges — Gestell mit 2 Rädern, Sech und Pflugschar aus Eisen oder eisenbeschlagen — sind 
die Abbildungen in der Handschrift des Sachsenspiegels in der Kal. Bibliothek in Dresden 
sehr instruktiv. Die Handschrift gehört dem 14. Jahrh. an; die Bilder sollen auf eine ältere 
Vorlage zurückgehen. In meiner Kolonisierung 2c. S. 33 heißt es irrtümlich „vierrädrig“. 
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