Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 73
besonders an den Flußübergängen, gedeckt sein mußte.) Aber einverleibt
wurde auch dies Gebiet dem Reiche noch nicht. Nach wie vor ordneten die
Sorben ihre inneren Angelegenheiten selbst nach eigenem Brauch und Recht,
und auch das Christentum blieb ihnen zunächst noch fern.
Anders wurden die Dinge unter Otto d. Gr. — Der Versuch Karls d. Gr.,
sich Garantien zu schaffen durch Einführung und Förderung verantwortlicher
wendischer Fürstengewalten, die — mit ihrer Existenz mehr oder minder an
ihn gebunden — Ordnung und Sicherheit an den Grenzen verbürgten, war
gescheitert. Dauernde Befriedung war offenbar nur zu erreichen durch
völlige Unterwerfung der Wenden, durch ihre Einordnung in das Reich.
Als Schirmherr der abendländischen Kirche — und so begriff der tief-
religiöse Fürst seine Stellung — mußte Otto es ferner als heilige Aufgabe be-
trachten, die Wenden dem christlichen Glauben zuzuführen. Die Christiani-
sierung setzte aber die politische Unterwerfung und Eingliederung, wie diese
jene, voraus. Beide bedingten und forderten einander. Die Politik Karls
d. Gr. gegen die Sachsen nahm jetzt, wesentlich aus gleichartigen Gründen,
Otto d. Gr. gegen die Wenden wieder auf; er schritt zur Unterwerfung
der östlichen Wendenländer.
So entstanden die Marken als dem Reiche angefügte Gebiete außer-
halb der alten Grenzen, mit zunächst überwiegend fremder Bevölkerung und
andersartiger, rechtlicher und wirtschaftlicher Ausgestaltung, unter (Mark-) Grafen,
die durch Ausdehnung ihrer Amtsbezirke und durch die Fülle ihrer militä-
rischen und rechtlichen Gewalt eine hervorragende Stellung gewannen und an
Selbständigkeit, Einfluß und Macht den Herzogen kaum nachstanden.
Den Oberbefehl an der mittleren Elbe hatte der König dem gewaltigen
Markgrafen Gero übertragen, dem eigentlichen Begründer deutscher Herrschaft
zwischen Elbe und Oder. Das Centrum seines Gebietes war Magdeburg.
Die Grafen im Nordthüringgau, Derlingo, Hardago, Suevon waren ihm
untergeordnet, soweit er nicht selbst die Comitate inne hatte. Von diesen
Gegenden aus wurden nun die sorbischen Gaue Serimunt, Neletici, Nisici
— der Landstrich zwischen unterer Saale und Mulde und elbaufwärts bis
in die Gegend von Riesa und bis zur schwarzen Elster — erobert. 955 er-
scheint der erste Graf im Serimunt; etwa 10 Jahre später der im Neletici.
Die drei Distrikte wurden dem Magdeburger Erzstift zugeteilt. Ihre Adels-
geschlechter weisen vorwiegend auf die Gaue Nordthüringen und Suevon und
auf die benachbarten sächsischen Landschaften, nebst dem Hassago, zurück. Die
südöstlich davon gelegenen Gebiete, die im Jahre 968 zuerst genannten drei
Marken und Bistümer Zeitz, Merseburg und Meißen,“) wurden in der Haupt-
*) Genannt wird nur Bichni = Püchen, Püchau a. d. Mulde.
**) Die Grenzen der Marken und Gaue f. bei O. Posse, die Markgrafen von
Meißen, 1881, S. 307 ff. — Meine Kolonisierung S. 61 ff.