Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 81
waren mit polizeilich-richterlichen Befugnissen ausgestattet, hatten Gerichts-
gefälle, Steuern, Zinse und sonstige Leistungen einzutreiben, die Durch-
führung landesherrlicher Beschlüsse und Befehle zu überwachen, und endlich
im Landgericht als Schöffen in wendischen Sachen das Urteil zu finden.“)
Für all diese Leistungen waren sie mit einem Dienstlehen begabt, das aus
einigen abgabenfreien Hufen Landes, daneben bisweilen auch noch aus Zins-
einkünften, bestand. Von persönlichen Diensten waren sie befreit, nur im
Kriege zu Roßdienst gehalten. So mag ihre Stellung in der ersten Zeit
nicht viel anders gewesen sein, als die der niederen landesherrlichen Dienst-
mannen, und es ist wohl möglich, daß einige, durch die Gunst des Herren
mit höheren ÄAmtern betraut oder mit größeren Lehen begabt, wirklich in die
Klasse der ritterlichen Ministerialen aufgestiegen sind. Immerhin waren dies
Ausnahmefälle. Die weitaus meisten von ihnen sanken allmählich herab zu
gewöhnlichen Zinsbauern, nur daß die Belastung des Gutes vielleicht geringer
war und häufig die Funktionen des Ortsvorstehers und des Gerichtsschöffen
daran haften blieben. Die Withasen, wahrscheinlich identisch mit den
früheren Wethenici, waren von ihren kleinen, bäuerlichen Lehen — in der
Regel nur eine (abgabenfreie) Hufe — ebenfalls zu Roßdienst verpflichtet
und häufig mit ähnlichen Verrichtungen wie die Supane, aber nur über je
ein Dorf, betraut.
Hinter diesen besser gestellten Klassen verbergen sich meiner Ansicht nach
die Reste der sorbischen Häuptlingsfamilien, soweit dieselben nicht unter-
gingen in den blutigen Kämpfen, oder zu volksverwandten Nachbarstämmen
flüchteten, oder endlich in der großen Masse der übrigen Bevölkerung sich
verloren. Letzteres konnte um so leichter geschehen, da ja, wie früher gezeigt
ist, eine erblich abgeschlossene Adelsklasse sich noch nicht gebildet hatte. Schon
der Verlust des Besitzes warf die betreffende Familie in die niedere Schicht
zurück. Einige hervorragendere Häuptlinge mögen in der ältesten Zeit durch
Anschluß an die Deutschen Besitz und Stellung gerettet haben und so schließ-
lich in den deutschen Lehnsadel ausgenommen sein. Groß ist ihre Zahl
keinesfalls gewesen.
In vollem Gegensatz zu den bevorzugten Supanen und Withasen standen
die Smurden. Schon der Name, abgeleitet von smrd — Schmutz, Gestank,
der ihnen doch nur von Sorben gegeben sein kann, deutet auf ihre tiefe,
verachtete Stellung, bereits zur Sorbenzeit, hin. Es sind dies meines Er-
achtens die verhältnismäßig geringen Bestandteile der Bevölkerung, die schon
vor der deutschen Eroberung als unfreie Knechte bei den Herden und besonders
auf den Ackern der reicheren und mächtigeren (Häuptlings-Familien dienten,
und die in späterer Zeit durch Aufständische u. s. w., die den belassenen
*) Nach dem Sachsenspiegel durfte ein Deutscher keines Wenden Urteil leiden, und
umgekehrt.
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 6