82 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
Besitz verwirkten, vermehrt wurden. Wir finden sie in unserer Periode zu-
nächst auf den herrschaftlichen Wirtschaftshöfen, zu täglichem Dienst in Haus,
Hof und Feld nach Belieben des Herrn gehalten, ohne die Fähigkeit, eigenes
Vermögen zu gewinnen und zu vererben. Späterhin erscheinen sie häufig
mit kleinen Grundstücken ausgestattet, als Gärtner, Kossaten, Häusler und
ähnliche zins- und dienstverpflichtete Kleinleute. Manche von ihnen traten
auch, aufsteigend unter der Gunst der Kolonisationsbewegung, ganz in die
Reihe der Zinsbauern ein.
Die große Menge der Sorben war gegen Abgaben und Dienste auf
ihren Ackern belassen. Sie erscheinen in den Urkunden als mancipia, als
hörige und eigene Hintersassen. Ohne Verfügungs= und Erbrecht
saßen sie nur auf Gnade des Herren, der sie jederzeit von ihren Gütern ent-
fernen konnte. Als Zubehör des Bodens werden sie stets zugleich mit diesem
vergabt. Selbst wenn in den Verleihungsurkunden die Lage der Ländereien
noch gar nicht genau bestimmt ist, wenn die Hufen erst in diesem oder jenem
Burgward ausgemessen werden sollen: stets werden als selbstverständliche Zu-
behör zugleich die mancipia und servi überwiesen. Ein Beweis, wie diese
Mancipien durch das ganze Land hin verbreitet waren, oder — anders aus-
gedrückt — wie die gesamte ackerbauende sorbische Bevölkerung des Landes
zu Grundhörigen, zu den Laten des Sachsenspiegels, herabgedrückt war.
Die Wirtschaftsweise der deutschen Herren in dieser 1. Periode
unterschied sich nicht wesentlich von der im alten Reich. Den Kern der Ver-
leihungen bildete stets das von den Sorben bereits in Kultur genommene
Land, das sofortigen Ertrag versprach. Es fiel den Eroberern natürlich nicht
im Traume ein, die Unterworfenen auf dem zunächst allein ergiebigen Kultur-
lande sitzen zu lassen und sich mit Sumpfland, Wald und Wildnis zu be-
gnügen, zu dessen Anbau es ihnen sowohl an Kapital wie an Arbeitskräften
gefehlt hätte. Mit dem Lande, der terra colta, arabilis, kamen, wie erwähnt,
zugleich die darauf sitzenden Sorben in den Besitz der deutschen Herren.
Ohne die Arbeitskräfte und Leistungen dieser Leute hätten ja die Schenkungen
in den meisten Fällen gar keinen Wert gehabt.
Von den Dörfern und Hufen, die den Rittern verliehen waren, wurde
ein Teil, wie erwähnt ist, den vorgefundenen Sorben gegen Zins und Dienste,
beides nach Belieben des Herrn bemessen, gelassen oder in veränderter Ab-
grenzung neu zugewiesen. Der andere Teil, die zunächst gelegenen und besten
Acker, bildete den einheitlich geschlossenen Komplex des Herrengutes, das in
der Regel von dem Grundherrn in eigener Bewirtschaftung gehalten wurde.)
*7) Das Allodium oder Vorwerk des 12. Jahrhunderts, die wirtschaftlichen Substrate
der Mehrzahl der später (besonders seit dem 14. und 15. Jahrhundert) durch Uberweisung
öffentlicher Leistungen, Übertragung obrigkeitlicher Befugnisse und rechtliche Privilegien
sich bildenden Rittergüter.