86 BGB. Gesetzliche Beschränkungen oes Eigentums.
ersteren Falle herrscht vollständige Freiheit: Jeder kann Offnungen und
Fenster in seine eigene Wand oder Mauer machen, auch wenn dieselben
eine Aussicht über die benachbarten Gründe gewähren (§ 137 I 8).
Nur wenn die Wand oder Mauer unmittelbar an des Nachbars Hof oder
Garten stößt, müssen die Offnungen (auch solche, die nicht des Lichtes
wegen angebracht werden), falls der Raum, in welchem sie angelegt werden
sollen, hoch genug dazu ist, sechs Fuß vom Boden dieses Raumes erhöht,
in allen Fällen aber mit eisernen, nur zwei Zoll voneinander stehenden
Stäben oder mit einem Drahtgitter verwahrt sein (§ 138). — Will man
dagegen des Nachbars Fenster verbauen, indem man hart an der Grenze
selber baut, so kommt es darauf an, ob die Nachbarfenster schon mindestens
zehn Jahre vorhanden sind. In diesem Falle wird weiter unterschieden,
ob die betreffenden Räume des Nachbars nur von dieser Seite her Licht
haben; dann muß der neue Bau soweit zurückbleiben, daß es dem Nach-
bar möglich ist, aus seinen ungeöffneten Erdgeschoß-Fenstern den Himmel zu
sehen; bekommen die Räume aber noch von einer anderen Seite (auch
von oben, RGer. 36, 217) Licht, so gilt letzteres von den Festern des
2. Stockes (§ 142 f., RGer. 2, 195). Sind die Fenster des Nachbars
noch nicht zehn Jahre vorhanden, so ist der Bauende lediglich an die-
jenige Entfernung gebunden, welche das Landrecht überhaupt für neu zu
errichtende Gebäude bestimmt1) (drei Fuß und von einem unbebauten
Platz des Nachbars anderthalb Fuß § 139, 140). An dessen Stelle
treten die örtlichen Bauordnungen, die meistens Brandmauern auf der
Grenze oder erheblich größere Abstände (Bauwich) von den Nachbarfenstern
fordern2). «
Neue Türen, die unmittelbar auf des Nachbars Grund und Boden
führen, dürfen wider dessen Willen nicht angelegt werden (§ 148).
Bei Zäunen und Wellerwänden (Fachwerk-, Lehmwänden usw.) ist
in der Regel jeder Besitzer städtischer Grundstücke und Gärten den Zaun
rechter Hand vom Eintritt in den Haupteingang zu bauen
und zu unterhalten schuldig (§ 162 f.); eine Verpflichtung zum
Bau eines bisher nicht vorhanden gewesenen Grenzzaunes besteht nicht
(Or. 43, 1), es sei denn, daß die Wegnahme eines Gebäudes ihn nötig
macht (§ 164).
Erhöhungen und Erniedrigungen des Bodens müssen 3 Fuß
von der nachbarlichen Verzäunung zurückbleiben (§§ 185—187).
Schließlich sei hervorgehoben, daß die Baubeschränkungen wie Grund-
dienstbarkeiten zum Besten des Nachbars anzusehen sind, also erlöschen,
wenn der Nachbar den ihn schädigenden Bau wissentlich hat geschehen lassen
(OTr. Str A. 40, 248; RGer. Gruchot 29, 823); und daß diese Be-
schränkungen als Ausnahmen von der Freiheit des Eigentums, wie der-
artige Ausnahmen überhaupt, streng ausgelegt werden müssen
1) Nach den „Spezialbauobservanzen“ für Berlin, die nach Art. 3 Publ Pat. des ALR. als Orts-
statut in Kraft geblieben sind, aber nur für das am 1. Juni 1794 vorhandene Weichbild gelten, geht
die Baufreiheit weiter: Fenster in der Wand des Nachbars, sie mögen so lange vorhanden sein wie
sie wollen, schränken den anderen in der Befugnis, hart an der Grenze zu bauen, nicht ein, auch wenn
dadurch den Räumen des Nachbars das Licht entzogen wird (ObTr. 45, 73f.).
) In Berlin BauPol V. 15. 8. 97 § 5 Z. 3: Gm.