Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

BE. Eheliche Kinder. 125 
mögen des Kindes zu sorgen, d. h. es zu vertreten, zu erziehen, zu be- 
aussichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Neben dem Vater hat 
die Mutter die Sorge für die Person des Kindes (Vertretungsbefugnis 
hat sie nur bei Behinderung §§ 1634, 1685); der schuldige Teil bei ge- 
schiedener Ehe muß die Sorge für die Person des Kindes dem anderen 
Ehegatten überlassen; sind beide Teile schuldig, so steht die Sorge für 
die Töchter stets der Mutter, ebenso die für Söhne unter 6 Jahren, die 
für Söhne über 6 Jahren dem Vater zu, der aber seine Vertretungs- 
befugnis für sämtliche Kinder behält (§ 1635). — Die Vermögensver- 
waltung durch den Vater kann vom Erblasser oder Schenker ausgeschlossen 
werden (§ 1638; dann ist für dieses Vermögen ein Pfleger zu bestellen 
§ 1909; die Nutznießuug bleibt dem Vater). In den im § 1643 ge- 
nannten Fällen, in denen der Vormund die Genehmigung des Vorm Ger. 
bedarf, hat sie auch der Vater einzuholen. Die Vermögensverwaltung 
endet durch den Konkurs über das Vermögen des Vaters (§ 1647). Das 
Verm Ger. kann sie ihm nach Beendigung des Konkurses wieder über- 
tragen. — Die Nutznießung am Vermögen des Kindes steht dem 
Vater beim sog. freien Vermögen des Kindes nicht zu; zu diesem gehört: 
a) Die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des Kindes bestimmten 
Sachen (Arbeitsgeräte, Kleider, Bücher); 
b) der Erwerb durch ein selbständiges Geschäft (s. § 112); 
c) die Zuwendungen, bei denen durch Erblasser oder Schenker die 
Nutznießung ausgeschlossen ist (§§ 1650, 1651). 
Die Nutznießung des Vaters steht der Befriedigung der Gläubiger 
des Kindes aus dessen Vermögen nicht entgegen (§ 1659); sie endet mit 
der unter elterlicher Einwilligung erfolgten Verheiratung (§ 1661); der 
Vater haftet dem Kinde gegenüber nur mit der Sorgfalt, die er in eigenen 
Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 1664). 
Bei Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes durch 
den Vater (Mißbrauch der Gewalt, Vernachlässigung des Kindes; ehrloser 
oder unsittlicher Lebenswandel) hat das VormGer. einzugreifen, ins- 
besondere das Kind zur Erziehung in einer Familie oder Erziehungs= oder 
Besserungsanstalt unterzubringen (§ 1666). Gemäß Art. 135 E. haben 
alle deutschen Bundesstaaten die öffentliche Erziehung verwahrloster und 
gefährdeter Kinder durch besondere Gesetze über die Zwangs-(Fürsorge--) 
erziehung geregelt. In Preußen gilt das 
G. 2. 7. 00 über die Fsssrsrrlehuns Minderzjähriger 
GS 
Danach kann für Minderjährige unter 18 Jahren die Fürsorge— 
erziehung angeordnet werden: 
1) zur Verhütung der Verwahrlosung, wenn der Fall des § 1666 
oder 1838 BGB. vorliegt; 
2) zur Verhütung weiterer sittlicher Verwahrlosung nicht strafmündiger 
Delinquenten; 
3) zur Verhütung des völligen sittlichen Verderbens auch ohne Ver- 
schulden beim Versagen der normalen Erziehung. 
Die Fürsorgeerziehung wird unter Staatsaufsicht von den Provinzial- 
verbänden, in der Prooinz Hessen-Nassau von den Bezirksverbänden, den
	        
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